"Dank Topsharing kann man Führungspositionen einnehmen und trotzdem in Teilzeit arbeiten"

Noch vor wenigen Jahren wären Manager oder Firmenchefs, die in Teilzeit arbeiten, unvorstellbar gewesen. In der Schweiz findet die Idee nun immer mehr Anhänger.

Mehr als ein Drittel (37%) der 4,5 Millionen Erwerbstätigen in der Schweiz arbeiten in Teilzeit, was innert zehn Jahren einen Anstieg um 7,2% bedeutet. In diesem Zusammenhang hat das Thema "Jobsharing", bei dem die Aufgaben einer Stelle auf zwei Teilzeitbeschäftigte – üblicherweise mit identischer Stellenbeschreibung – aufgeteilt werden, in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. Laut den Zahlen des BFS wird dieses Modell heute von 9,6% der Teilzeitbeschäftigten und von 3,6% aller Angestellten praktiziert. Auch immer mehr Managerinnen und Manager sowie führende Kaderleute folgen diesem Trend und zögern nicht mehr, nach einem "Topsharing" zu fragen. Was sind die Vorteile und die Grenzen dieser Praxis? Erläuterungen von Irenka Krone-Germann, promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin und Expertin für Job- und Topsharing.

Wie lassen sich Job- und Topsharing definieren?

Irenka Krone-Germann: Jobsharing bedeutet, dass man das Äquivalent einer Vollzeitstelle auf zwei oder mehrere Personen mit voneinander abhängigen Aufgaben und gemeinsamer Verantwortung aufteilt. "Topsharing" meint dabei speziell Posten mit hoher Verantwortung und Management-Aufgaben. In der Praxis beobachtet man Duos mit "reinem" Jobsharing, bei dem alle Themen und Aufgaben austauschbar sind, und Tandems mit hybridem Jobsharing, bei dem den Partnern je nach Kompetenz bestimmte Aufgaben zugeteilt werden.

Was sind aus Sicht der Beschäftigten die Vorteile dieses neuen Arbeitsmodells?

Krone-Germann: Der grösste Nutzen des Jobsharings besteht darin, dass man damit darauf reagieren kann, dass sich die Erwartungen im Laufe des beruflichen Werdegangs verändern. Für Berufseinsteiger ist es eine interessante Art, durch den generationenübergreifenden Austausch gut im Unternehmen anzukommen, indem sie eng mit einem älteren und erfahreneren Kollegen zusammenarbeiten. Für Eltern oder Personen, die sich um Angehörige kümmern, kann es eine Möglichkeit sein, ihre Arbeit mit verschiedenen familiären Verpflichtungen in Einklang zu bringen. Und wer das Rentenalter erreicht hat, aber noch weiter arbeiten möchte, kann darin einen Weg finden, die eigene Erfahrung weiterzugeben und zugleich die Arbeitszeit zu reduzieren.

Kann Topsharing zu mehr Chancengleichheit in Bezug auf Führungspositionen beitragen?

Krone-Germann: Ja, gerade bei Frauen. Teilzeit hängt in der Schweiz weiterhin stark vom Geschlecht ab: Bei Frauen ist der Anteil dreimal so hoch (57,9%) wie bei Männern (18,7%). Dank Topsharing kann man Führungspositionen einnehmen und trotzdem in Teilzeit arbeiten. Frauen erreichen in vielen Branchen, zum Beispiel Recht oder Gesundheit, ein höheres Ausbildungsniveau als Männer, aber das schlägt sich nicht in der Verteilung der Führungspositionen nieder. Das lässt sich auf gesellschaftliche Faktoren zurückführen, denn viele reduzieren ihre Arbeitszeit, wenn sie ein Kind bekommen. Topsharing ist eine Antwort auf dieses grundsätzliche Problem, denn so haben sie auch mit einem Arbeitspensum von 70% oder 80% Zugang zu verantwortungsvollen Posten. Ein Beispiel hierfür ist das Waadtländische Universitätsspital (CHUV), wo Frauen dank Topsharing in Teilzeit als Klinikleiterinnen arbeiten.

Welches Interesse haben Arbeitgeber an Topsharing?

Krone-Germann: Zunächst einmal kommt man nicht mehr umhin, auf die Erwartungen einer neuen Generation an Arbeitskräften zu reagieren, die nicht mehr zwischen Karriere und einem erfüllten Privatleben wählen wollen. Ausserdem hat man festgestellt, dass ab einer gewissen Anzahl von Wochenarbeitsstunden die Produktivität tendenziell abnimmt. Zwei Personen mit derselben Aufgabe werden also produktiver und effizienter arbeiten, zumal der Austausch und die unterschiedlichen Kompetenzen zu besseren Entscheidungen führen.

In angespannten Branchen wie dem IT- oder dem Gesundheitssektor ist es auch eine Möglichkeit, dank eines attraktiven Images auf dem Arbeitsmarkt die besten Talente für sich zu gewinnen und sie anschliessend durch den Zugang zu interessanten Posten auch an sich zu binden. Es ist viel rentabler, gute Mitarbeitende zu halten, als neue rekrutieren zu müssen. Unternehmen, die gar keine Flexibilität an den Tag legen, können sich auf grosse Schwierigkeiten bei der Rekrutierung gefasst machen.

Welche Herausforderungen sind mit der Einführung von Jobsharing verbunden?

Krone-Germann: Anders als man denken würde, ist die Organisation einer geteilten Stelle nicht besonders kompliziert. In den meisten Fällen geht es darum, Teilzeitverträge anzubieten, in denen die Modalitäten der Arbeit im Duo spezifiziert werden. Dagegen müssen unbedingt auch die HR-Abteilung und das Top Management einbezogen werden, damit sie das Modell unterstützen oder es sogar auf höchster Ebene vorleben. In einigen KMU ist Topsharing übrigens schon Realität.

Was würden Sie einem Unternehmen raten, das diesen Weg einschlagen möchte?

Krone-Germann: Da Jobsharing bisher nur 4% der Erwerbstätigen in der Schweiz betrifft und viele das Konzept gar nicht kennen, ist es aus meiner Sicht unabdingbar, sich von Experten begleiten zu lassen, zum Beispiel von dem Verein PTO (Part-Time Optimisation), den ich mitgegründet habe und dessen Arbeit vom Bund unterstützt wird.


Informationen

Zur Person/Firma

Irenka Krone-Germann, Co-Leiterin für Wissensmanagement, Kommunikation und Networking bei cinfo.ch

Irenka Krone-Germann hat an der Universität Genf in Wirtschaftswissenschaften promoviert und einen Abschluss der UC Berkeley ext. und des Graduate Institute GE. Sie arbeitete zunächst für das SECO und gründete dann den Verein PTO (Parttime Optimisation) mit ihrer damaligen Jobsharing Kollegin Anne de Chambrier und die Plattform WeJobshare GmbH. Sie leitet aktuell den Verein PTO dessen Ziel die Förderung von Job- und Topsharing ist. Ferner schrieb sie das Buch "Part-Time Employment in Switzerland: Relevance, Impact and Challenges" (Peter Lang, 2011) und war an der Herausgabe eines Sammelbands zum Thema Jobsharing beteiligt, der bei L'Harmattan (2017) erschienen ist. Irenka Krone-Germann ist zudem Co-Geschäftsleiterin von cinfo.ch (Schweizer Kompetenzzentrum der internationalen Zusammenarbeit) in Biel, gemeinsam mit ihrem Kollegen Urs Stauffer.

Letzte Änderung 01.11.2023

Zum Seitenanfang

News und nützliche Informationen für Gründer und Unternehmer
https://www.kmu.admin.ch/content/kmu/de/home/aktuell/interviews/2023/dank-topsharing-kann-man-fuehrungspositionen-einnehmen-und-trotzdem-in-teilzeit-arbeiten.html