"Megatrends wie Künstliche Intelligenz werden die Wirtschaft stark verändern"

Was sagt uns die Zukunftsforschung über die Wirtschaft von morgen? Mithilfe von Megatrends lassen sich einige Überraschungen vermeiden.

Megatrends sind übergeordnete, langfristige Entwicklungen. Diese globalen Phänomene wirken in allen Bereichen, in der Politik, in der Gesellschaft und in allen Branchen der Wirtschaft. Ersichtlich werden Megatrends durch die Analyse von treibenden Veränderungskräften und Wandlungsmustern. Diese lassen sich aus statistischen Reihen, Langzeitstudien und der Erforschung von Ursachen von Trends ableiten. Georges T. Roos ist Zukunftsforscher und gründete im Jahr 2000 in Luzern den Think Tank ROOS Trends&Futures. Er erläutert, welche Rahmenbedingungen sich in den kommenden Jahrzehnten unter anderem für Unternehmen verändern werden.

Was sind zurzeit die wichtigsten Megatrends?

Georges T. Roos: Dazu zählt einmal die Ökologisierung. Sie umfasst die Dekarbonisierung, also das Wegkommen von fossilen Rohstoffen, und weitere Massnahmen für eine klimaneutrale Welt. Zu den grossen Megatrends zählt auch die Digitalisierung, die bereits während der letzten 20 Jahren viel verändert hat. Hier kommt nun mit der künstlichen Intelligenz noch einmal eine riesige Dimension mit Neuerungen für die Wirtschaft hinzu: Die Industrie 4.0.

Wie steht es mit der Globalisierung?

Roos: Das ist der dritte wichtige Megatrend, im Kontext der Globalisierung müssen wir mit einer Verschiebung der Weltordnung rechnen. Die Konkurrenz zwischen China und den USA ist nicht nur ein Technologiewettbewerb um Marktführerschaft, sondern auch um Einflusszonen und Einflussbereiche. Werden wir auch in Zukunft über alle Systemgrenzen hinweg wirtschaftlich verflochten bleiben? Für exportorientierte KMU ist dieser Megatrend existenziell. Ein weiterer Megatrend wird oft etwas vergessen, die demografische Transformation. Die Zahl der Menschen nimmt zu, diese werden älter und leben vermehrt in Städten.

Wie werden die Megatrends die Wirtschaft verändern?

Roos: Generell wird die nächste grosse Automatisierung durch künstliche Intelligenz (KI) und smarte Robotik die Wirtschaft stark verändern. Zugleich entstehen neue Berufe, so wird es Prüfstellen geben, welche die KI kontrollieren. Enorme Auswirkungen wird auch die angestrebte CO2-Neutralität haben. Beide Megatrends zusammen fördern das Autonome Fahren. Unsere Mobilität ändert sich dadurch fundamental. Auch die Alterung wird sich auf die Wirtschaft auswirken. Die grosse Zahl älterer Menschen und vor allem das noch nie dagewesene Verhältnis zwischen der pensionierten und der Erwerbsbevölkerung werden sich in höheren Steuern und Abgaben bemerkbar machen. Wahrscheinlich wird auch die Lebensarbeitszeit länger. Unternehmen werden also ältere Mitarbeitende haben.

Wie können sich wirtschaftliche Entscheidungsträger von Megatrends inspirieren lassen?

Roos: Man sollte die Megatrends befragen: Was bedeuten sie für mein Unternehmen, für meine Kunden und Partner? Man kann eine Art Chancen-Risiko-Profil erstellen. Megatrends beschreiben die Veränderung der Rahmenbedingungen, es sind ziemlich sichere Vorhersagen. Vieles in der Zukunft wissen wir nicht, aber man weiss etwa, dass der Kampf gegen den Klimawandel, die Alterung der Bevölkerung oder die nächste Stufe der Digitalisierung das Wirtschaften verändern werden.

Was bedeuten die Megatrends für KMU?

Roos: Ein exportorientiertes KMU beispielsweise kann die geopolitischen Veränderungen im Auge behalten und schon vorsorglich allfällige Alternativen prüfen: Was bedeutet das für meine Lieferketten oder für meine Absatzmärkte? Muss ich allenfalls versuchen, diese anders aufzustellen? Habe ich ein Frühwarnsystem, um Veränderungen zu erkennen? Man kann sich überlegen, ob mit Künstlicher Intelligenz die Chance für ein weiteres oder anderes Geschäftsmodell entsteht. Oder man kann sich fragen, ob man sich verstärkt auf eine ältere Kundschaft ausrichten soll. Es wird erwartet, dass 2040 in der Schweiz jeder vierte Mensch über 65 Jahre alt ist.

Was würden Sie Jungunternehmenden raten?

Roos: Das Auseinandersetzen mit Megatrends verhilft (nicht nur) Jungunternehmenden dazu, eine Perspektive über die Rahmenbedingungen zu bekommen, zu schauen, wo grosse Veränderungen im Gang sind. Megatrends alleine geben jedoch noch keine Geschäftsidee. Man kann auch erfolgreich ein Unternehmen führen, indem man sich statt auf den Megatrend, auf den Gegentrend ausrichtet. Eine der 16 Megatrends, die ich beschreibe, ist die Beschleunigung. Alles geht immer schneller und ist weniger lang von Wert. Aber eine ganze Industrie basiert auf dem Gegentrend der Entschleunigung, etwa Wellness im Tourismus oder Slow Food, und Slow Fashion. Man kann sich bewusst im Gegentrend positionieren. So besteht im Lebensmittelbereich ein starker Trend zu lokalen Produkten.


Informationen

Zur Person/Firma

Georges T. Roos, Zukunftsforscher

Georges T. Roos (1963) befasst sich professionell seit mehr als 20 Jahren mit strategischen Zukunftsherausforderungen von Unternehmen und Organisationen. Als Zukunftsforscher ist er Vortragsredner zu Disruptiven Szenarien, Megatrends, Wertewandel und strategischer Zukunftsfitness. Er ist Gründer und Leiter des privaten Zukunfts-Think Tanks ROOS Trends&Futures. Überdies war er Gründer und Direktor der European Futurists Conference Lucerne und ist Mitglied des Vorstandes von Swissfuture – Schweizerische Vereinigung für Zukunftsforschung. Er hat an der Universität Zürich das Lizentiat phil. I erworben und war 1997 bis 1999 Mitglied der Geschäftsleitung des Gottlieb Duttweiler Instituts.

Letzte Änderung 15.06.2022

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