"Die Kunden wollen immersive Erlebnisse, bei denen sie eine aktive Rolle spielen und in die sie eintauchen können"

Nach zwei schwierigen Jahren hat die Eventbranche eine gewisse Dynamik wiedererlangt. Gabriele Censi, Geschäftsführer von GC Events, setzte auf Digitalisierung und innovative Ausstellungen, um während der Pandemie die Kurve zu kriegen. Er spricht über die Herausforderungen der Branche und über Möglichkeiten, sich neu zu erfinden.

Die Agentur für Kulturveranstaltungen GC Events mit Sitz in Muralto in der Nähe von Locarno (TI) gehört zu den Unternehmen, die es geschafft haben, sich vor dem Hintergrund der Pandemie neu zu erfinden. Sie hat ihre internen Prozesse digitalisiert und bietet auch immersive Ausstellungen an, die in der Museumswelt gerade einen Boom erleben. Dabei werden die Werke grosser Meister wie Van Gogh nicht ausgestellt, sondern digital projiziert und so zu einem Gesamtschauspiel aus Bildern, Licht und Technologie. Mit acht Festangestellten und in Hochzeiten bis zu 40 Beschäftigten organisiert die Firma pro Jahr in der Schweiz rund 70 Veranstaltungen - Ausstellungen, Konzerte und Festivals. Firmengründer und CEO Gabriele Censi spricht über die aktuellen Herausforderungen der Branche.

Wie ist es Ihrer Meinung nach derzeit um die Eventbranche bestellt?

Gabriele Censi: Wir spüren bei den Gästen wie auch bei den Künstlerinnen und Künstlern einen sehr grossen Wunsch nach Veranstaltungen, vor allem nach Konzerten. Diese Begeisterung führt fast zu einem Überangebot, aber auch zu einer übermässigen Nachfrage. Der positivste Aspekt der jetzigen Situation ist, dass man wieder langfristig planen kann, was in den letzten zwei Jahren nicht möglich war.

Wie wirkt sich die Digitalisierung auf Ihr Unternehmen und auf die Branche im Allgemeinen aus?

Censi: Was das Management betrifft, haben wir uns dank der Nutzung von Videokonferenz-Tools enorm weiterentwickelt. Heute kann die Vorbereitungsphase einer Veranstaltung fast gänzlich digital ablaufen. Das Homeoffice hat uns unabhängiger gemacht, auch wenn der Teamgeist etwas darunter gelitten hat. Ein Brainstorming funktioniert zum Beispiel besser, wenn das Team im selben Raum miteinander interagieren kann. Beim Thema Innovation haben wir zudem versucht, immersive Technologien zu nutzen, um unsere Zielgruppe zu erweitern und insbesondere jüngere Menschen anzusprechen.

Welche Tendenzen, die Sie im Veranstaltungssektor beobachten, halten Sie für besonders vielversprechend?

Censi: Wir haben festgestellt, dass die Kunden Erlebnisse suchen, bei denen sie eine aktive Rolle spielen und in die sie eintauchen können. Immersive Kunst wird sich in den kommenden Jahren sicher immer mehr durchsetzen. Bald wird das Erlebnis um den Einsatz von VR-Brillen erweitert werden.

Leidet die Veranstaltungsbranche unter dem Personalmangel, der in der Hotellerie und der Gastronomie zu beobachten ist?

Censi: Wie in vielen anderen Bereichen mussten auch hier viele Fachleute entlassen werden, da die Aktivitäten während der Pandemie komplett eingestellt wurden. Das hat einige dazu gebracht, den Beruf zu wechseln. Die für die Veranstaltungsorganisation unverzichtbaren "Stagehands", die sich unter anderem um den Bühnenaufbau kümmern und körperlich arbeiten, waren häufig gezwungen, sich neu auszurichten. Heute ist es sehr schwierig, entsprechende Leute zu finden. Wir müssen also auf Zeitarbeitsfirmen zurückgreifen, die uns oft Personal aus den Bereichen Bau oder Logistik anbieten.

Wie haben Sie Ihr Unternehmen als feste Grösse im Eventsektor im Tessin und in der Schweiz etabliert?

Censi: Ich habe schon im Studium einen Fuss in diesen Sektor gesetzt. Ich stellte fest, dass es im Tessin kein richtiges Theaterangebot gab. In Kombination mit dem für mich typischen Ehrgeiz war das der Auslöser, den ich brauchte, um wirklich loszulegen. Dann bin ich Schritt für Schritt vorgegangen und habe Veranstaltungen in immer grösserem Umfang organisiert, zunächst im Tessin und dann in der ganzen Schweiz. Heute organisiert GC Events rund 70% seiner Veranstaltungen ausserhalb des Tessins.

Was waren Ihre grössten Erfolge?

Censi: Zuerst ist da wahrscheinlich das Konzert von Ennio Morricone 2018 in Locarno zu nennen. Wir haben 200 Musikerinnen und Musiker auf die Bühne gebracht und auf der Piazza Grande sassen 5'000 Menschen im Publikum. Ich könnte auch noch die Ausstellung von Banksy 2021 in Basel nennen, bei der die Besucherzahlen 100'000 erreichten, sowie die immersive Van-Gogh-Ausstellung in Lausanne, die sich 60'000 Personen anschauten. Wir waren auch die ersten, die die italienische Band Måneskin, die beim diesjährigen Montreux Jazz Festival alle umgehauen hat, 2019 in die Schweiz holten.

Sie organisieren Events in der ganzen Schweiz. Gibt es je nach Region spezifische Besonderheiten?

Censi: Der Hauptunterschied ist der Vorverkauf der Tickets. Im Tessin wird rund die Hälfte der Karten im Vorfeld gekauft und die andere Hälfte am Veranstaltungstag. In der Deutschschweiz und der Westschweiz gehen 90% der Tickets im Vorverkauf raus und nur 10% direkt an der Kasse. Ein weiterer Unterschied betrifft die Personalkosten, die in der Deutsch- und Westschweiz weiterhin höher sind. Das schlägt sich dann auch auf die Ticketpreise nieder.

Was würden Sie Unternehmerinnen und Unternehmern raten, die in die Veranstaltungsbranche einsteigen wollen?

Censi: Zunächst würde ich allen raten, ein zusätzliches Budget für unvorhergesehene Ausgaben einzuplanen. Dieser Faktor kann über den Erfolg oder Misserfolg einer Veranstaltung entscheiden. Wenn jemand noch keine Erfahrung auf dem Gebiet hat, würde ich ihm raten, das Abenteuer gemeinsam mit einem Mitgründer anzugehen, um eine zweite Meinung zu haben, die ihn herausfordert. Ausserdem empfehle ich, mit kleinen Veranstaltungen anzufangen und sich nach und nach zu vergrössern, um zu vermeiden, dass ein unerfahrener Veranstalter durch ein zu ehrgeiziges Projekt gelähmt wird.


Informationen

Zur Person/Firma

Gabriele Censi, CEO von GC Events

Gabriele Censi machte an der Universität der italienischen Schweiz (USI) seinen Abschluss in Kommunikation und Betriebswirtschaft und gründete mit 25 Jahren, direkt nach dem Studium, seine Firma GC Events. Mit seinem Unternehmen ist der 36-Jährige heute einer der Schlüsselakteure im Schweizer Veranstaltungssektor.

Letzte Änderung 07.09.2022

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