"Wie viele Business Angels investiere ich zuerst in ein Team"

Die Finanzierung durch einen Business Angel kann für den Erfolg eines Start-ups den entscheidenden Unterschied machen. Doch welche Arten von Persönlichkeiten und Projekten sind bei Business Angels besonders gefragt? Erläuterungen von Brigitte Baumann, die auf diesem Gebiet Expertin ist.

Die Finanzierung durch Business Angels, die Jungunternehmen häufig weniger strenge Bedingungen stellen, ist eine interessante Alternative zu den Banken und zu Risikokapital. Die Business Angels bringen Kapital ein, stehen den Start-ups aber vor allem mit Expertentipps und einem Netzwerk zur Seite. Sie können auch eine entscheidende Rolle spielen, wenn es darum geht, sich von der Konkurrenz abzuheben. Brigitte Baumann ist Mitgründerin der Firma Efino sowie von GoBeyond Investing, einer Zürcher Plattform, über die bereits mehr als EUR 27 Millionen in 107 Start-ups investiert wurden. 2015 wurde ihr die Auszeichnung "European Angel Investor of the year" verliehen. Sie spricht über ihre Aktivitäten und die von ihr bevorzugten Geschäftsmodelle und verrät einige Tipps für Unternehmerinnen und Unternehmer, die loslegen wollen.

Welche Arten von Unternehmen unterstützen Sie als Business Angel?

Brigitte Baumann: Wie viele Business Angels investiere ich zunächst in ein Team. Es gibt kein bestimmtes Firmenmodell, das ich stärker unterstütze als andere. Ich bin auf der Suche nach Projekten, die Diversität und Werte wie beispielsweise Nachhaltigkeit fördern und die zu einer am Gemeinwohl orientierten Wirtschaft passen. Mein Ziel ist jedoch auch, Start-ups zu finden, die rasch wachsen können, um sich dann einem international renommierten Unternehmen anzuschliessen. Ich bewerte also ihre Entwicklung und ihr Potenzial, in den kommenden fünf bis sieben Jahren von einem Konzern gekauft zu werden.

Welche Branchen können die Investoren zwei Jahre nach Beginn der Pandemie am besten überzeugen?

Baumann: In der Post-Pandemie-Zeit, die heute durch die verstärkte Inflation geprägt ist, sind die Bereiche Gesundheit, "Well-being" und Energie – vor allem Strom – für Investoren besonders interessant. Auch der Bildungssektor befindet sich im Umbruch und wird immer attraktiver. Allgemein geht das Interesse hin zu Technologien, mit denen Lösungen für den Ausweg aus der Krise und Antworten auf die weltweiten wirtschaftlichen und sozialen Probleme gefunden werden können.

Was sind die wichtigsten Eigenschaften eines guten Start-up-Gründers?

Baumann: Man muss den Mut haben zu träumen und dabei ganz im Hier und Jetzt handeln. Sehr hartnäckig sein, aber auch bereit zuzuhören. Gern allein arbeiten und zugleich zur Teamarbeit fähig sein. In der Lage sein, mit geringen Mitteln viel zu machen, und zugleich investieren, wenn es nötig ist. Risiken eingehen und die Realität des Marktes berücksichtigen... Meine Antworten haben immer zwei Seiten: Das Geheimnis ist, die richtige Mitte zu finden, um nicht unter den Schattenseiten der eigenen Stärken zu leiden!

Können Sie jungen Firmen, die ganz am Anfang stehen, ein Erfolgsrezept verraten?

Baumann: Es gibt keine Patentrezepte, die den Erfolg eines Unternehmens zu 100% garantieren können, aber vor dem Start müssen einige Grundsteine gelegt werden. Insbesondere gilt es, den "Product-Market-Fit" zu prüfen. Mit diesem Schritt lässt sich feststellen, ob es für das Konzept oder das Produkt, das man entwickelt, eine echte Nachfrage auf dem Markt gibt. Wichtig ist auch, dass man es schafft, eine innovative Idee in ein kohärentes Geschäftsmodell zu übertragen. Oft wissen die Unternehmerinnen und Unternehmer, die ich treffe, nicht, worin genau der wirtschaftliche Vorteil ihres Angebots liegt. Ein Business Angel ist den Start-ups auch in dieser Hinsicht behilflich. Ein weiterer Schlüssel zum Erfolg ist die Fähigkeit, sich mit den richtigen Personen zu umgeben.

Inwiefern sind die Geschäftsmodelle Ihrer Firmen GoBeyond Investing und Efino einzigartig?

Baumann: GoBeyond Investing ist ein internationales Business-Angel-Netzwerk, das eine Methode der Schwarmintelligenz entwickelt hat, mit der die Mitglieder nahezu professionelle Kompetenzen im Investment-Bereich erwerben können. Dank dieser Strategie konnten sich viele von ihnen ein Investment-Portfolio mit Start-ups zusammenstellen, deren Auswirkungen auf Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt nachgewiesen sind. Eine der Besonderheiten von GoBeyond Investing ist auch, dass es diese Tätigkeit in die Mitte der Gesellschaft gebracht hat, indem es insbesondere Frauen ermutigt, sich an Investments heranzuwagen. Das Modell von Efino beruht auf denselben Werten, wobei hier die Weiterbildung und das Coaching der Business Angels, der Manager in ihren Netzwerken und der Unternehmerinnen und Unternehmer auf Finanzierungssuche im Fokus stehen. Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz und arbeiten unter anderem mit Teams in Senegal, Georgien und Peru sowie mit verschiedenen Entwicklungsagenturen wie der Weltbank, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), dem Dutch Good Growth Fund (DGGF) oder auch dem SECO über das Swiss Entrepreneurship Program (Swiss EP). zusammen.

Kann ein Start-up, das noch im Aufbau ist, ohne einen Business Angel auskommen? Wird es die benötigten Mittel in der Schweiz finden oder muss es rasch auf den internationalen Markt gehen?

Baumann: Business Angels arbeiten häufig in einem Netzwerk zusammen. Wenn ein Jungunternehmen Kontakt zu ihnen aufnimmt, können sie auf diese Weise rasch die richtigen Leute kennenlernen, die sich für ihr Projekt interessieren. Bei GoBeyond bringen wir die Start-ups mit Schweizer Investoren zusammen und öffnen ihnen gleichzeitig Türen zu ausländischen Investoren, die beispielsweise Mitglied in unserem amerikanischen Netzwerk sind. Das ist für uns ein eigenständiges Ziel.


Informationen

Zur Person/Firma

Brigitte Baumann, Mitgründerin von GoBeyond Investing

Brigitte Baumann hat einen Abschluss als Chemieingenieurin sowie einen MBA in Finance und investiert seit 2003 in Start-ups. Sie ist Mitgründerin von GoBeyond Investing (2008) und von der Firma Efino (2019). Seit 2020 tritt sie auch im Rahmen des Weltwirtschaftsforums als "Digital Leader" der Europäischen Gemeinschaft auf. 2020 zählte sie zu den Top 3 der einflussreichsten Frauen im Bereich Unternehmertum und Risikokapital in Europa.

Letzte Änderung 19.07.2022

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