"Im Rahmen der Arbeit im Familienbetrieb kommen Mithilfe oder ein Arbeitsvertrag in Betracht"

Der Sommer naht und die Zahl der kleinen Nebenjobs nimmt zu. Viele Chefinnen und Chefs von KMU stellen jetzt vorübergehend ein Familienmitglied ein.

Viele packen zeitweise im Betrieb ihrer Familie mit an, ob als Unterstützung zwischen Eheleuten oder im Rahmen eines Sommerjobs für die Kinder. In einigen Situationen würde man von freiwilliger Mithilfe sprechen, in anderen empfiehlt es sich, einen Arbeitsvertrag mit entsprechenden Rechten und Pflichten aufzusetzen. Erläuterungen von Jean-Marc Beyeler, Leiter der Rechtsberatung beim Centre patronal in Paudex (VD).

In welchen Branchen kommt Mitarbeit im Familienbetrieb besonders häufig vor?
Jean-Marc Beyeler
: In den freien Berufen, den Werkstätten und Unternehmen im Baugewerbe kommt es oft vor, dass einer der beiden Ehepartner dem anderen unter die Arme greift, insbesondere bei Verwaltungsaufgaben (Telefon, Rechnungslegung, Bestellungen, Terminplanung usw.). In anderen Arten von Unternehmen, zum Beispiel in kleinen Lebensmittelgeschäften, arbeiten Familienmitglieder nicht selten im Schichtbetrieb, damit während der gesamten Öffnungszeiten jemand im Laden ist. Da können auch die Kinder oder andere nahe Verwandte eingebunden sein.

Ab wann wird die Arbeit nicht mehr als freiwillige Mithilfe angesehen?

Beyeler: Das Zivilgesetzbuch regelt die Beziehungen zwischen den Ehegatten: Mann und Frau müssen, jeweils nach ihren Fähigkeiten, zum Unterhalt der Familie beitragen. Allgemein gilt, dass eine Person, die für den Beruf oder das Unternehmen des Partners oder der Partnerin gearbeitet hat, Anspruch auf eine gerechte Entschädigung hat, jedoch nur, wenn dies in einem Ausmass geschehen ist, das erheblich über den üblichen Beitrag zum Unterhalt der Familie hinausgeht. Wurde nur gelegentlich mitgearbeitet, kann man von Mithilfe ausgehen. Die Eheleute können allerdings jederzeit einen echten Arbeitsvertrag mit den entsprechenden Rechten und Pflichten schliessen. Arbeitsvertrag heisst dann auch Anspruch auf Lohn, Beiträge zu den Sozialversicherungen, Urlaubsanspruch und mehr.

Was ist mit Kindern? Ab welchem Alter können sie im Familienunternehmen mitarbeiten?
Beyeler
: Grundsätzlich findet das Arbeitsgesetz auf direkte Angehörige der Firmenleitung keine Anwendung, aber für jugendliche Familienangehörige gibt es eine Ausnahme, wenn sie mit anderen Arbeitnehmern zusammenarbeiten. Doch auch wenn ein Unternehmen bei der Beschäftigung von Jugendlichen nicht dem Arbeitsgesetz unterstellt ist, wird dem Arbeitgeber dringend geraten, sich von den dortigen Regeln inspirieren zu lassen, besonders im Hinblick auf den Gesundheitsschutz, aber auch auf Sicherheit sowie die körperliche und psychische Entwicklung. So ist es grundsätzlich nicht gestattet, einen Jugendlichen vor Vollendung des 15. Lebensjahres zu beschäftigen, und für bestimmte Tätigkeiten darf ein Jugendlicher nicht eingesetzt werden, vor allem für schwere oder gefährliche Arbeiten. Das Spektrum erweitert sich stetig bis zum Erreichen der Volljährigkeit. Es ist auch möglich, einen Jugendlichen schon ab dem Alter von 13 Jahren zu beschäftigen, aber nur für Botengänge oder leichte Arbeiten und in der Regel nur in einem Teil der Schulferien.

Wie sind hier die Unterschiede zwischen einer gelegentlichen Mithilfe und einer echten Arbeit?
Beyeler
: Im Rahmen der Arbeit im Familienbetrieb kommt natürlich Mithilfe in Betracht, wenn die Aufgaben ideellen, karitativen oder humanitären Zwecken dienen oder die Zeit der Beschäftigung eher kurz ist. Aber in allen anderen Fällen sollte man von dieser Option absehen und einen richtigen Arbeitsvertrag aufsetzen.

Ab wann ist es denn allgemein notwendig, einen Vertrag zu schliessen?
Beyeler
: Das lässt sich gar nicht leicht beantworten. Meiner Meinung nach sollte man einen Arbeitsvertrag schliessen, sobald die Aufgabe, die das Familienmitglied übernimmt, normalerweise von einem angestellten Arbeitnehmer übernommen werden müsste, also wenn diese Tätigkeit üblicherweise vergütet wird. Aber wenn Kinder ihre Eltern zum Beispiel bei der Weinlese unterstützen, die noch dazu in den Schulferien stattfindet, ist man eindeutig im Rahmen der Mithilfe.

Wie sehen je nach Situation die passenden Vertragstypen aus?
Beyeler
: Bei einem Arbeitsvertrag hängt alles davon ab, ob die Mitarbeit befristet oder unbefristet ist; es gelten nicht für beide Vertragstypen dieselben Regeln. Bei Mithilfe gibt es häufig keinen schriftlichen Arbeitsvertrag. Es ist aber wichtig zu wissen, dass auch freiwillige Helfer im Rahmen der beruflichen Unfallversicherung versichert werden müssen.

Welche Vorteile hat es, ein Familienmitglied zu beschäftigen?
Beyeler
: Ein Familienmitglied ist zwangsläufig mit den Angelegenheiten der Firma vertraut, da es indirekt involviert ist – allein schon durch die Gespräche am Küchentisch. Das bedeutet also auch kürzere Informationswege und wahrscheinlich ein grösseres Interesse daran, dass es dem Unternehmen gut geht.

Welche zwischenmenschlichen Aspekte muss man berücksichtigen? Wo sollte man wachsam sein?
Beyeler
: Es kann vorkommen, dass der Firmenchef einem Familienmitglied helfen möchte, das gerade Probleme hat, sei es persönlich oder auf dem Arbeitsmarkt. Er sollte dann gut darauf achten, den Rahmen für das Verhältnis klar abzustecken und seine Anforderungen gegenüber dem Familienangehörigen deutlich zu machen. Und es ist ratsam klar zu sagen, dass er das Arbeitsverhältnis beenden wird, wenn der Familienangehörige versucht, das besondere Verhältnis zwischen ihnen auszunutzen. Ausserdem muss man als Chefin oder Chef darauf achten, dass man die Familienmitglieder gegenüber den anderen Arbeitnehmern nicht bevorzugt, auch wenn das nicht immer leicht ist.


Informationen

Zur Person/Firma

Jean-Marc Beyeler, Leiter der Rechtsberatung beim Centre patronal

Jean-Marc Beyeler wurde 1962 geboren, machte an der Universität Lausanne seinen Abschluss in Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht. Seit 2002 leitet er die Rechtsberatung von Centre Patronal. Er ist zudem verantwortlicher Redakteur des Guide de l'employeur (Handbuch des Arbeitgebers) und der Zeitschrift Questions de droit und schreibt regelmässig Beiträge für die Zeitschrift Patrons, die vor Kurzem in Plein Centre umbenannt wurde. Im Moment ist er ferner Vorsitzender der tripartiten Kommission des Kantons Waadt für den Vollzug der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit.

Letzte Änderung 21.04.2021

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