"Bei der Kontaktaufnahme zu einer Bank geht es um Timing und gute Vorbereitung"

Eine Finanzierung für seine Idee zu finden, ist bei der Unternehmensgründung eine entscheidende Phase. Caroline Widmer, Geschäftsführerin von Pulse Incubateur HES, verrät ihre Tipps, wie man sich bestmöglich darauf vorbereitet.

Zu Beginn ist der Kapitalbedarf bei einigen Firmen, besonders im Dienstleistungssektor, eher gering, sodass sie sich mit den Eigenmitteln der Gründerinnen und Gründer finanzieren können. Andere benötigen jedoch schon beim Start viel Geld, um beispielsweise Material einzukaufen oder ihre Technologie zu entwickeln. Dann ist es unvermeidlich, sich an eine Bank oder einen anderen Kapitalgeber zu wenden. Wie lassen sich diese Finanzierungsanträge am besten vorbereiten? Caroline Widmer schlägt künftigen Unternehmerinnen und Unternehmern verschiedene Wege vor. Im Rahmen ihrer Arbeit für den Inkubator Pulse hilft sie Studierenden, Assistenten, Beschäftigten und Alumni der sechs Genfer Standorte der Fachhochschule Westschweiz (HES-SO) dabei, ihre Unternehmensprojekte weiterzuentwickeln. 

Ist es unabdingbar, eine Bank aufzusuchen, wenn man eine Firma gründen will?

Caroline Widmer: Ein Unternehmer muss beim Start Kontakt zu einer Bank aufnehmen, allein schon um das vorgeschriebene Eigenkapital auf ein Bankkonto einzuzahlen (CHF 20'000 für eine GmbH und CHF 100'000 für eine AG). Die Gewährung von Bankdarlehen und/oder Kreditlimiten (Möglichkeit eines zinslosen Darlehens bei rechtzeitiger Rückzahlung) ist jedoch in der Startphase eines Unternehmens eher selten.

Die Entscheidung für eine Kreditanfrage sollte nie zufällig getroffen werden. Einige Kreditinstitute stehen Jungunternehmen positiver gegenüber als andere. Allgemein bleibt bei den Banken die Scheu vor den Risiken sehr hoch. Trotz allem besteht ja eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen den Kredit, den es bei seiner Gründung abgeschlossen hat, nicht zurückzahlen kann. Andere Finanzierungsquellen können also besser geeignet sein und dazu führen, dass man die nötige Anschubfinanzierung erhält, um später auch die Banken überzeugen zu können.

Haben Sie ein paar Beispiele für uns?

Widmer: Abgesehen vom sogenannten Sweat Equity, also dem Geld, das man mit eigener Anstrengung erwirtschaftet hat, würde ich sagen, dass es fünf relativ leicht zugängliche Finanzierungsquellen gibt, die man nicht ausser Acht lassen sollte. Die 3 F (Family, Friends & Fools) sind ein Klassiker, wenn es um das erste Kapital geht. Das sind Menschen, die einem nahestehen und bereit sind, einen bestimmten Betrag (zwischen CHF 5 und CHF 20'000) zu verleihen. Preise und Stipendien sind ebenfalls eine Möglichkeit, finanzielle Unterstützung für den Start zu bekommen. Mehrere Projekte von Pulse haben auf diese Weise beachtliche Summen erhalten. Das Projekt ProSeed wurde vor Kurzem von der Gebert Rüf Stiftung im Rahmen von First Ventures mit CHF 150'000 gefördert, um nur ein Beispiel zu geben. Als nächstes sind die Business Angels (SICTIC, GAIN usw.) zu nennen, die mit bis zu 20% in das Kapital von Jungunternehmen investieren, damit sich das Projekt schneller entwickelt und lebensfähig wird. Ebenfalls sehr beliebt sind mittlerweile alle Arten von Crowdfunding. Damit mobilisiert man nicht nur seine Community, sondern es ist auch eine hervorragende Gelegenheit, sein Produkt auf dem Markt zu testen. Und nicht zuletzt trägt auch Venture Capital zur Beschleunigung der Projekte bei. Hier werden die ersten Phasen des Unternehmens als Gegenleistung für eine Firmenbeteiligung mit einer Aussicht auf Gewinn unterstützt. Diese Investitionen können sich auf einen Betrag zwischen CHF 300'000 und mehreren Dutzend Millionen belaufen, je nachdem, in welcher Entwicklungsphase sich ein Projekt befindet.

Wie bereitet man seine Unterlagen im Hinblick auf eine Firmengründung vor?

Widmer: Es ist sehr wichtig, schlüssige Dokumente vorzulegen. Unverzichtbar ist ein Businessplan. Auch wenn er regelmässig aktualisiert wird, dient er als strategischer Fahrplan. Er ist ausserdem ein Instrument für die Kommunikation und die Planung, um ein unternehmerisches Projekt auf den Weg zum Erfolg zu führen. Er kann dabei helfen, mögliche Partner, zum Beispiel Banken, zu überzeugen, sofern die Kohärenz, die Glaubwürdigkeit und die erwartete Rentabilität des Projekts richtig zur Geltung gebracht werden. Grundsätzlich sind die typischen Fallen, die es bei einem Businessplan zu vermeiden gilt, dass er zu technisch ist, dass Hoffnungen und Tatsachen vermischt werden, dass er zu ambitioniert ist oder die Erwartungen und Bedürfnisse unklar bleiben. Es gibt viele Quellen mit Informationen zu diesem Thema (u. a. auf den Seiten von Genilem, Entreprendre.ch oder der Raiffeisen Bank). 

Welche wesentlichen Punkte sollte man berücksichtigen, wenn man Kontakt zu einer Bank aufnehmen will?

Widmer: Egal ob es um die Finanzierung des Startkapitals, einer Investition, von Garantien oder von einem Leasing geht, ist es häufig eine Frage des richtigen Timings, vor allem aber ist eine gute Vorbereitung vonnöten. Die Unterlagen, die im Zuge eines Finanzierungsantrags eingereicht werden, müssen dank ihrer Klarheit und Genauigkeit von der finanziellen Gesundheit des Unternehmens überzeugen, ebenso wie von der Lebensfähigkeit des Projekts und der Fähigkeit des oder der CEO, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Dabei geht es immer um die Aussicht auf eine fristgemässe Rückzahlung.

Wie wählt man das richtige Kreditinstitut aus?

Widmer: Die Anträge für ein Darlehen sollten bei Banken gestellt werden, die eigene Programme für KMU und Start-ups anbieten. Man darf auch nicht vergessen, dass die Beziehung zu dem Berater oder der Beraterin eine wichtige Rolle spielt. Am Ende muss man weniger die Bank überzeugen als vielmehr die Person, die man vor sich hat.

Müssen die Banken eine Ablehnung nicht rechtfertigen?

Widmer: Nein, jede Kreditanfrage bringt Risiken mit sich und es ist Aufgabe der Bank, diese zu identifizieren. Das ist kein Werturteil, sondern eine gezielte Methode, um die Kunden zu schützen. Umso wertvoller ist es, wenn man auf Strukturen wie die Bürgschaftsgenossenschaften zählen kann. In Genf unterstützen zum Beispiel die Genossenschaft Cautionnement romand und die Stiftung Fondation d'aide aux entreprises (FAE) die Anträge bei den Banken, damit Unternehmen, die sich als solide erweisen, einen durch eine Garantie gesicherten Kredit erhalten. Die Bank gewährt den Kredit, die Bürgschaftsorganisation garantiert der Bank dessen Rückzahlung.


Informationen

Zur Person/Firma

Caroline Widmer, Geschäftsführerin von Pulse Incubateur HES

Nach ihrem Abschluss in International Business an der McGill University in Kanada hatte Caroline Widmer Führungspositionen in der Genfer Verwaltung an der Schnittstelle von Strategie und Kommunikation inne. Anschliessend war sie dort Beauftragte für wirtschaftliche Entwicklung. Heute leitet sie den Pulse Incubateur HES, das neue Gründerzentrum für innovative Projekte aus den sechs Hochschulen der HES-SO Genf.

Letzte Änderung 06.10.2021

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