Marktentwicklungen vorhersehen, eine originelle Marketingstrategie verfolgen und die Innovation stimulieren. Mit diesem Erfolgsrezept schafft es das Zürcher KMU Micro Mobility Systems, seit mehr als 20 Jahren zu den führenden Firmen auf dem Scooter-Markt zu gehören.
1997 entwickelt Wim Ouboter seinen ersten Tretroller. Für den Vertrieb setzt er auf einen mächtigen Partner, Smart, also die Mercedes-Gruppe. Der Verkauf boomt. In den 2000er Jahren erneuert das Unternehmen aus Küsnacht (ZH) seine Produkte und perfektioniert sie, um im verschärften Wettbewerb zu bestehen. Heute beschäftigt das familiengeführte KMU 60 Arbeitnehmende, welche die Modelle und die Marke in der Schweiz weiterentwickeln. Die Fertigung erfolgt in China. Das KMU ist in 40 Ländern präsent und erzielt mit seiner Palette von rund hundert Produkten einen Umsatz von CHF 60 Millionen. Ein Interview.
Welche Strategie haben Sie verfolgt, um sich auf den internationalen Märkten zu positionieren?
Wim Ouboter: Was den Vertrieb angeht, sind wir selten in einem Land direkt tätig. Wir arbeiten mit einem Franchise-System, wählen Personen aus, denen wir vertrauen und die unsere Marke so voranbringen, als wäre es ihre eigene. Die einzigen Länder, in denen wir selbst agieren, sind China, wo wir produzieren, Japan, wo ich den lokalen Betrieb gemeinsam mit einem koreanischen Partner übernommen habe, sowie Frankreich, Deutschland und natürlich unser traditioneller Markt, die Schweiz.
Wie ist es Ihnen gelungen, ein Produkt, das 1997 noch sehr mit einem Kinderspielzeug in Verbindung gebracht wurde, attraktiv zu machen?
Ouboter: Ich habe nach einem Unternehmen gesucht, das meine Vision teilt. In der Kommunikation von Smart standen damals zwei Ideen im Zentrum: "reduce to the max" und "future of mobility". Ich erkannte, dass mein Trottinett zu ihrem Kundenkreis passen würde. Sie haben sich darauf eingelassen, mein Produkt in jedes ihrer Autos zu integrieren.
Hatten Sie mit einem solchen Erfolg gerechnet?
Ouboter: Nein. Trotz der Produktionsmenge von 80'000 Rollern pro Woche, die in der ganzen Welt verkauft wurden, konnten wir der Nachfrage nicht entsprechen! Auf so einen Schneeballeffekt waren wir nicht vorbereitet. Wenn wir anfingen, auf einem Markt 100 Stück zu verkaufen, wurden daraus schnell 1000 und anschliessend 10'000. Es brauchte kein Marketing: So ein Scooter lässt sich leicht ausprobieren, nutzen und annehmen.
Anfang der 2000er Jahre liess die Nachfrage nach, da die Qualität schlechter wurde und es immer mehr Billigimitate gab. Wie konnten Sie sich dennoch auf dem Markt halten?
Ouboter: Die Roller kamen dank der Automobilindustrie wieder in Mode, die daran interessiert war und für eine höhere Qualität sorgte. So haben wir mit Volkswagen und als "Co-Branding" mit BMW zusammengearbeitet, um Elektromodelle zu entwickeln. Auch beim Verleih kam es zu einem Boom. Wir haben uns auf die Stadt konzentriert, um dort die Fortbewegung immer weiter zu vereinfachen. Meine Vision der urbanen Mobilität von morgen besteht aus einer Kombination mehrerer kleiner Elektrofahrzeuge.
Genau, zu Ihren Projekten gehört ja auch die Entwicklung des Elektroautos Microlino...
Ouboter: Im Moment verschiebt sich das Ganze nach hinten wegen eines Streits mit einem deutschen Unternehmer, der die Fabrik unseres Lieferanten aufgekauft hat. Das Potenzial bleibt jedoch weiterhin hoch: 54% der Vorbestellungen von Microlino kommen von Frauen und in der Regel sind sie die Trendsetter. Dieses Gefährt soll das Leichtfahrzeug, das an sich für ältere Menschen oder Leute ohne PKW-Führerschein gedacht ist, "cool" machen. Mit dieser Absicht ist das Design des Modells entstanden.
Wie gehen Sie vor, um zu erahnen, wie die Zukunft der Mobilität aussehen wird?
Ouboter: Wir verfolgen die neusten Studien und werten sie aus. Diese zeigen, dass eine Stadt keine SUVs (sport utility verhicle) braucht, sondern Angebote zur Ergänzung des öffentlichen Nahverkehrs. Um unsere Intuition zu überprüfen, achten wir auch sehr auf das Feedback in den sozialen Netzwerken.
Welche Marketing-Strategie verfolgt ein Unternehmen wie Micro Mobility Systems?
Ouboter: Wir haben keine einzige Werbeanzeige in Zeitungen geschaltet. Wir nutzen Google Ads (die Werbesparte von Google), damit die Nutzer der Suchmaschine auf unsere Seite gelenkt werden. Wir bauen viele Kooperationen mit bekannten Marken auf: Allianz, Rivella, Ricola, Samsonite…Diese Unternehmen verfügen über grosse Marketing-Budgets und wissen diese nicht immer zu nutzen. Wir investieren auch in Video-Clips. Das letzte Video "Race with a Ferrari" kostete in der Produktion CHF 4'000 und brachte uns Millionen Klicks ein!
Darüber hinaus setzen wir auf einige Grossveranstaltungen wie den Genfer Auto-Salon, wo Hunderte Fachjournalisten vor Ort sind. Und schliesslich platzieren wir auf jeder Produktverpackung ein Familienfoto – meine beiden Söhne sind in die Firma eingestiegen –, um vorzustellen, wer hinter der Marke steckt, um Emotionen zu transportieren und zu zeigen, dass wir kein seelenloser Investitionsfonds sind.
Und im Bereich der Produktentwicklung?
Ouboter: Wir investieren viel in Forschung und Entwicklung, etwa 10% unseres Umsatzes, ins Marketing hingegen 3% (das gilt nur für die Scooter, nicht für Microlino). Wir suchen uns immer neue Märkte, auf denen es keine Konkurrenten gibt, und verkaufen dort Produkte, die es bisher noch nicht gab. Und die bestehenden Produkte passen wir ständig an, indem wir die neusten Innovationen einbeziehen.