Proptech-Unternehmen möchten die Digitalisierung in der Immobilienbranche vorantreiben. Allthings gehört zu den Leadern dieses Markts mit grossem Potential.
Das Basler Unternehmen Allthings hat eine digitale Plattform entwickelt, dank derer Gebäudeverantwortliche und Gebäudenutzende zentral auf verschiedene Dienstleistungen zugreifen können. Es zählt dabei zu einer Reihe an Firmen, die in den letzten Jahren in der Schweiz im Bereich Proptech (aus dem Englischen "property technoloy") gegründet wurden und deren Ziel es ist, digitale Angebote für den Immobiliensektor anzubieten. Mieterinnen und Mieter können mit Allthings zum Beispiel jederzeit in Echtzeit Informationen zu ihrem Energieverbrauch abrufen sowie direkt mit der Gebäudeverwaltung oder den Mitbewohnenden in Kontakt treten.
Seit 2015 konzentriert sich das 2013 gegründete Unternehmen ganz auf die Immobilienwirtschaft und hat im Moment über 200 Kunden und Partner, darunter grosse Gruppen wie die Credit Suisse. In der Schweiz sowie in einigen europäischen Ländern wie Deutschland oder Grossbritannien sind mehrere Tausend Gebäude mit der digitalen Applikation verbunden. Das Unternehmen hat 2018 in einer Finanzierungsrunde über CHF 13 Millionen zusammengetragen, womit das Wachstum weiter vorangetrieben werden soll. Über den Einstieg in die Immobilienbranche und das grosse Marktpotential spricht CEO Stefan Zanetti im Interview.
Welches Projekt war entscheidend, um mit Allthings im Immobiliensektor Erfolg zu haben?
Stefan Zanetti: Ursprünglich war unsere Idee, eine digitale Plattform zu schaffen, über die es möglich ist, Informationen von Objekten wie Velos oder Brillen über einen QR-Code abzurufen. Ende 2014 hatten wir dann die Möglichkeit, an der Entstehung eines nachhaltigen Quartiers in Basel mitzuwirken. Dank unserer Plattform war es dem Bauträger möglich, alle Gebäude des Quartiers digital miteinander zu verbinden, um den Energieverbrauch besser zu steuern. Die Bewohner dieses neuen Quartiers erhielten Zugang zu dieser Plattform in Form einer mobilen Applikation. Dort konnten sie, neben dem Abruf aller wichtigen Informationen bezüglich ihrer Wohnung und ihres Gebäudes, auch alle Anfragen mit der Gebäudeverwaltung zentral steuern oder mit den Nachbarn in Kontakt treten.
Wie hat die Immobilienbranche generell auf Ihre digitale Lösung reagiert?
Zanetti: Sehr positiv. Nach dem Projekt mit dem nachhaltigen Quartier in Basel haben wir zahlreiche Anfragen von grossen Immobilienverwaltern und -entwicklern erhalten. Die Immobilienbranche war zu dem Zeitpunkt – und ist es zum Teil immer noch – nur in geringem Masse von digitalen Lösungen geprägt. Dass die Nachfrage durchaus bestand und besteht, belegt die Tatsache, dass wir seit 2015 sehr schnell gewachsen sind und mittlerweile über 90 Mitarbeitende beschäftigen.
Was waren die grössten Herausforderungen, um den Bedürfnissen Ihrer Kunden gerecht zu werden?
Zanetti: Die grössten Herausforderungen hatten wir auf technischer Ebene. Bei grossen Immobilienfirmen, die über tausend Gebäude verwalten, geht es darum, unsere Applikation an deren Informationssysteme anzupassen, so dass der Datenaustausch funktioniert. Dieser Prozess kann bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen.
Standardisierung ist ein wichtiges Thema für uns. Unser Ziel ist, dass auf unserer Plattform mittelfristig eine grosse Zahl an Smart-Home-Lösungen zusammenkommen – eine Art AppStore für Gebäude. Im Moment arbeiten wir mit mehreren Partnern in der Schweiz an diesem Ziel.
Wie gut werden die digitalen Dienstleistungen von den Bewohnenden angenommen?
Zanetti: Es gibt sicherlich noch viel Potential in diesem Bereich. Bei Neubauten liegt die Nutzungsquote bei fast 100%, da beim Einzug automatisch die Login-Daten zu unserer Applikation vergeben werden. Bei Bestandsbauten, bei denen unsere Applikation den Bewohnenden erst nachträglich angeboten wird, ist diese Quote niedriger, da wir mit unserer digitalen Lösung gegen alte Gewohnheiten ankämpfen. Vieles wird dort noch per Telefon oder Brief erledigt.
Welche Vorteile bringt Allthings Gebäudeverwaltungen, ausser der Zentralisierung der administrativen Prozesse und der Kontrolle über Energie- und Ressourcenverbrauch?
Zanetti: Die digitale Plattform führt vor allem zu mehr Informationsaustausch und Transparenz. Aus Rückmeldungen wissen wir, dass sich die Bewohnenden mit ihren Anliegen verstanden fühlen, da diese effizient bearbeitet werden. Das wirkt sich positiv auf das Gemeinschaftsgefühl in den Gebäuden und Quartieren aus.
Wie sehen Sie generell das Potential für digitale Lösungen im Immobilienbereich?
Zanetti: Der Markt ist riesig – allein in der Schweiz gibt es mehr als zwei Millionen Gebäude. Dazu kommt, dass der Markt unter den einzelnen Akteuren wie den Eigentümern, den Dienstleistern oder den Projektentwicklern noch sehr fragmentiert ist. Digitale Lösungen können dabei zu effizienteren Prozessen beitragen. Interessant wird auch das Segment für Büros und Co-Working-Einrichtungen, wo die Organisation eine wichtige Rolle spielt. Vor kurzem haben wir sogar eine Anfrage von einer Gemeinde erhalten, die mit unserer Plattform ihre Gebäude und die dazugehörenden Prozesse besser und effizienter gestalten möchte.
Welchen Tipp können Sie Unternehmenden geben, die in der Proptech-Branche Fuss fassen möchten?
Zanetti: Aus eigener Erfahrung können wir sagen, dass es sich lohnt, Experten aus der Immobilienbranche mit ins Boot zu holen. Zu unseren Investoren zählen gestandene Unternehmer und Führungskräfte mit jahrelanger Erfahrung wie beispielsweise Mark Stilke, ehemaliger Geschäftsführer von Immobilienscout24, oder Lars Grosenick, CEO von Flowfact (ein auf Immobiliensoftware spezialisiertes Unternehmen). Wenn man selbst einen starken Technologiehintergrund hat hilft es, Zugriff auf tiefgreifendes Branchenwissen zu haben, um seine Kunden wirklich zu verstehen. Das hat uns dabei geholfen, schnell Fuss zu fassen und eine Lösung zu entwickeln, die der Branche wirklich einen Mehrwert bringt.