Zeit versus Gesundheit: Die Mittagspause ist ein Dilemma. Diese Unterbrechung ist jedoch unverzichtbar, um Produktivität, Kreativität und Gesundheit zu erhalten.
Zehn bis dreissig Minuten in England, eher 45 Minuten in Frankreich: Die Mittagspause hat nicht überall dieselbe Bedeutung. In Zeiten von Fast Food und Zeitplan-Optimierung wird die Pause oft gekürzt oder sogar abgeschafft. Ein Gespräch mit Charlotte Weidmann Schneider, Ernährungsexpertin der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE, über die Notwendigkeit, diesen Entspannungsmoment in der Mitte des Arbeitstages zu schützen.
Was sind die Zutaten für eine effiziente und gelungene Mittagspause?
Charlotte Weidmann Schneider: Damit sie ihren Zweck erfüllt, muss diese Arbeitsunterbrechung, die für das Mittagessen und Entspannung gedacht ist, mindestens 20 bis 30 Minuten dauern. Allein schon, um dem Organismus Zeit zu geben, satt zu werden, ohne zu hetzen: Dafür braucht man etwa 20 Minuten. Ausserdem gehört zu dieser Pause auch etwas Bewegung; man sollte seinen Arbeitsplatz verlassen und sich einen Moment Ruhe gönnen.
Eine Pause zu machen, bedeutet also nicht, mit einem Sandwich am Schreibtisch zu sitzen...
Weidmann Schneider: Mittagessen mit der Maus in der einen und der Gabel in der anderen Hand ist keine Pause! Man bleibt auf seine Tätigkeit konzentriert, anstatt sein Essen zu geniessen und die Gedanken schweifen zu lassen. Aber das Gehirn muss abschalten, um kreativ zu bleiben! Damit eine Pause ihre Wirkung entfalten kann, muss sie sich gänzlich von der Arbeitszeit unterscheiden. Deshalb ist auch ein Business Lunch oder ein Essen mit Kollegen, bei dem man über die laufende Arbeit spricht, keine echte Unterbrechung.
Wird der Mittagspause je nach Firma unterschiedliche Bedeutung beigemessen?
Weidmann Schneider: Die Unternehmenskultur hat einen grossen Einfluss auf die Bedeutung, die man diesem Break schenkt. In einigen Firmen, vor allem in denjenigen, die mittags schliessen, ist die Pause fest etabliert. In Unternehmen, in denen durchgängig gearbeitet wird, haben nicht alle Beschäftigten denselben Komfort. Einige haben eine Kantine, andere nur eine Küche, in der sie ein mitgebrachtes Essen aufwärmen können. Am wenigsten Glück haben diejenigen, bei denen es gar keine Ausstattung gibt, was das Mittagessen kompliziert macht, vor allem, wenn das Unternehmen nicht zentral liegt. Die Logistik, die vom Unternehmen zur Verfügung gestellt wird, verändert also das Verhältnis, das ein Mitarbeiter zu seiner Mittagspause haben kann.
Neben der Entspannung dient die Mittagspause ja auch der Ernährung. Welche Tipps können Sie als Ernährungsexpertin geben, wenn man auswärts gut essen will?
Weidmann Schneider: Eine ausgewogene Ernährung bedeutet vor allem Abwechslung. Wenn man auswärts isst, egal ob im Restaurant oder in der Kantine, gilt diese Grundregel genauso. Und auch wer sein Essen von zu Hause mitbringt: Man muss darauf achten, dass es gekochtes oder rohes Gemüse enthält, eine stärkehaltige Beilage und Proteine. Wenn man sich mit einem Sandwich begnügen muss, sollte man Vollkornbrot bevorzugen und dazu einen Salat oder einfach eine Karotte essen. Vorsicht ist bei Burgern, Kebab und anderem Fast Food angesagt, da sie wenig Gemüse, aber viel Fett und Salz enthalten.
Mit den neuen Technologien hat sich das Take-away-Angebot erweitert, was das Leben gestresster Angestellter erleichtert. Ist das eine gute Sache?
Weidmann Schneider: Die Entwicklung einer Vielzahl von Apps macht es heute möglich, sehr unterschiedliche Gerichte online zu bestellen und so eventuell Zeit zu sparen. Das ändert aber nichts daran, dass diese Gerichte ausgewogen und abwechslungsreich sein müssen. Man muss auch an sein Budget denken, wenn man auswärts isst, denn dort kann es schnell teuer werden, sich gesund zu ernähren. Einige Mitarbeiter schrecken vor den hohen Kosten zurück und gehen aus finanziellen Gründen nachlässig mit ihrer Ernährung um. In diesem Fall kann es eine Lösung sein, sich das Essen von zu Hause mitzubringen, um Geld zu sparen.
Reicht es aus, an einem Arbeitstag einmal mittags eine Pause zu machen?
Weidmann Schneider: Die Unterbrechung in der Tagesmitte ist wichtig. Da man sich nicht länger als 45 Minuten gut konzentrieren kann, ist es hilfreich, während des Tages weitere kurze Pausen zu machen, um sich dann wieder auf die Arbeit zu konzentrieren und kreativ zu sein. Es hängt auch alles vom Arbeitsrhythmus ab: Wer morgens sehr früh anfängt, wird gern um 9 Uhr eine Pause mit einem kleinen Snack machen. In der Deutschschweiz ist dieses sogenannte "Znüni" eine feste Institution, von der in der Industrie oder im Handwerk kaum jemand abweicht.