Integration von Migrantinnen und Migranten in den Arbeitsmarkt

Flüchtlinge – und allgemein Menschen mit Migrationshintergrund – sind wertvolle Arbeitskräfte. In der Schweiz setzen sich mehrere inspirierende Organisationen für ihre bessere Integration in den Arbeitsmarkt ein.

Eine junge, dunkelhäutige Frau steht an einem Tisch mit Nähmaschine und anderen Nähmaterialien

Offenheit, Kompetenzen, Motivation: Menschen mit Migrationshintergrund bringen für den Arbeitsmarkt kostbare Fähigkeiten und Eigenschaften mit sich, sodass es schade wäre, auf diese zu verzichten. Immer mehr Initiativen versuchen, diesen Personen den Zugang zu schweizerischen Unternehmen zu erleichtern. Drei Beispiele zu diesem Thema.

Die Macht des Programmierens

Weltweit gibt es mehrere Millionen Flüchtlinge. Zugleich gibt es in Zeiten der Digitalisierung auch mehrere Millionen offene Stellen im IT-Sektor. Zwei Probleme, eine Lösung: Hier setzt Powercoders an, eine Programmierschule für Geflüchtete, die 2017 in Bern lanciert wurde. Das Prinzip ist einfach. Nach drei Monaten Grundausbildung absolvieren die Teilnehmenden ein Praktikum – idealerweise für zwölf Monate – in einem der Partnerunternehmen. Dabei werden sie von einem ehrenamtlichen Jobcoach der Organisation begleitet. Die Unternehmen decken das ganze Spektrum "vom multinationalen Konzern über KMU bis zum Start-up" ab, erklärt Bettina Hirsig, Geschäftsführerin von Powercoders.

"Unser Ziel ist, dass unsere Absolventinnen und Absolventen anschliessend eine Lehrstelle oder eine Festanstellung finden. Tatsächlich konnten mehr als 60% derjenigen, die sich für Powercoders entschieden haben, dank dieser Erfahrung dauerhaft im IT-Bereich Fuss fassen. Inzwischen hat die NGO drei Filialen in Bern, Zürich und Lausanne sowie eine Aussenstelle in Mailand. Bettina Hirsig lädt weitere Organisationen dazu ein, sich dem Projekt anzuschliessen. Einerseits "weil es unsere soziale Verantwortung ist, Geflüchtete zu integrieren" und andererseits "weil die Migrantinnen und Migranten Offenheit und einen neuen Blick auf das Unternehmen mitbringen".

Die Fäden in der Hand haben

Was haben  Afghanistan, Syrien und Eritrea gemeinsam? In diesen Ländern, aus denen viele in der Schweiz lebende Geflüchtete kommen, "hat das Textilhandwerk eine lange Tradition", erklärt Justine Portenier, Co-Leiterin von Social Fabric. Aus diesem Grund hat der Zürcher Verband Textilien "als Instrument der Integration und der Vernetzung" gewählt. Die Gründerin von Social Fabric wollte sich für mehr Nachhaltigkeit in der Textilbranche und gleichzeitig für die Förderung der lokalen Wirtschaft einsetzen. Diese beiden Stärken konnte die 2016 gegründete Firma beibehalten. Sie hat ein Nähatelier in Zürich, wo sie Textilien für ganz unterschiedliche Kunden produziert. Auf der Firmenwebsite wird auch eine eigene Kollektion (Taschen, Kleidung usw.) angeboten. "Zwei Mal pro Woche veranstalten wir kostenlose Nähkurse für Menschen mit Fluchthintergrund."

Social Fabric bietet darüber hinaus einigen Geflüchteten die Möglichkeit an, eine Vor-Lehre oder sogar eine Lehre als Schneider oder Schneiderin zu absolvieren. "Wir haben beobachtet, dass die Integration in der Schweiz über die Ausbildung läuft; wer einen Abschluss als Schneiderin oder Schneider hat, kann danach auch in anderen Bereichen arbeiten, zum Beispiel im Gesundheitswesen oder im Detailhandel." Die Ausbildung "erhöht zudem die Chancen auf einen B-Ausweis". Justine Portenier ist überzeugt, dass die Unternehmen davon profitieren, wenn sie Migrantinnen und Migranten einstellen, insbesondere weil ihr Lebensweg "sie häufig sehr stark gemacht hat".

Integration geht durch den Magen

Essen aus aller Welt liegt im Trend. "Aber für jemanden mit Migrationshintergrund, der in der Gastronomie aktiv werden will und kein gutes Netzwerk hat, kann es schwierig sein, Kunden zu finden", stellt Claire Longatte fest. Sie ist die Leiterin von Alter Start Food, einem Sprungbrett für Migrantinnen und Migranten in der Romandie, das auf Kulinarik und Solidarität setzt. Das Projekt wurde 2020 von der IFPD (International Foundation for Population and Development) lanciert, um den Teilnehmenden am Food-Programm von Alter Start unter die Arme zu greifen. Alter Start ist eine Einrichtung, die unternehmerische Projekte im Stadium der Planung und Gründung begleitet. "Es handelt sich um einen Ort, der sowohl der Ausbildung als auch der Vernetzung dient."

Konkret stellt Alter Start Food die Verbindung zwischen den Konsumenten – Unternehmen oder Privatpersonen – und einem Team selbstständiger Küchenchefs her, "die unter anderem aus Eritrea, Syrien, Afghanistan, Mexiko und Georgien stammen". Der während der Pandemie entwickelte Verkaufsschlager ist eine wöchentlich wechselnde Auswahl an Gerichten aus zwei verschiedenen Ländern (nach dem Rotationsprinzip), die von Ehrenamtlichen an die Kunden geliefert werden. Für die Zubereitung steht den beiden betreffenden Personen eine professionelle Küche in La Croix-sur-Lutry (VD) zur Verfügung. Ausserdem werden sie von einem Experten unterstützt, der an der Hotelfachschule Lausanne ausgebildet wurde. Und die anderen Köche  "kommen vorbei, um mitzuhelfen". Dieses Netzwerk von Selbstständigen aus verschiedenen Communitys und Kulturen hat "eine enorme Wirkung", merkt Claire Longatte an. Und ganz nebenbei haben die Teilnehmenden am Programm von Alter Start Food durch die vielen Gespräche am Herd die Gelegenheit, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern.


Informationen

Zum Thema

Eine Agenda für Integration

Um Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Personen rascher in die Arbeitswelt und die Gesellschaft zu integrieren und damit ihre Abhängigkeit von Sozialhilfe zu reduzieren, haben sich Bund und Kantone 2019 auf eine gemeinsame Integrationsagenda geeinigt. Darin sind verbindliche Wirkungsziele und Prozesse definiert. Einzelheiten zu dem Projekt finden Sie hier.

Letzte Änderung 04.08.2021

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