"Ressourcenoptimierung kann die Wettbewerbsfähigkeit der KMU stärken"

Die Kreislaufwirtschaft bringt es mit sich, das gesamte Produktionssystem zu überdenken. In der Genferseeregion hat sich die Struktur "La Fabrique Circulaire" zum Ziel gesetzt, KMU bei diesem grossen Umbau zu begleiten. Ein Interview mit dem technischen Koordinator Benjamin Herbreteau, der zugleich Experte für industrielle Ökologie ist.

Nur 6,9% der in der Volkswirtschaft gehandelten Materialien werden nach der Nutzung wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt, wie aus dem von Deloitte und der niederländischen Organisation Circle Economy veröffentlichten ersten "Circularity Gap Report" für die Schweiz hervorgeht. Die Autoren dieses Berichts, der im März 2023 erschienen ist, schätzen jedoch, dass das Land sein Kreislaufpotenzial verdoppeln könnte (auf 12,2%), indem es an mehreren Hebeln ansetzt, insbesondere im Bereich Transport und industrielle Fertigung.

In den Kantonen Genf und Waadt führt die Beratungsagentur für nachhaltige Entwicklung dss+ seit 2021 das Programm "La Fabrique Circulaire" zur Begleitung von KMU durch, an dem bereits rund zwanzig Firmen teilgenommen haben. Ein Gespräch mit dem technischen Koordinator Benjamin Herbreteau.

Wie würden Sie Kreislaufwirtschaft definieren?

Benjamin Herbreteau: Sie hat zum Ziel, die Nutzung von Energie, Materialien und Wasser zu optimieren, indem sie sich von der Logik der linearen Wirtschaft (Extrahieren-Produzieren-Konsumieren-Wegwerfen) löst. Die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft verringert die Umweltbelastung durch die Wirtschaftstätigkeit und reduziert das Abfallaufkommen. Entgegen einer weit verbreiteten Vorstellung geht es nicht um einfaches Abfallrecycling, sondern um einen systemischen Ansatz, bei dem der gesamte Lebenszyklus eines Produkts so überdacht wird, dass sich sein ökologischer Fussabdruck verkleinert.

Warum sollte ein KMU nach einem zirkulären Ansatz wirtschaften?

Herbreteau: Die Kreislaufwirtschaft stellt für diese Unternehmen eine zentrale Herausforderung dar. Die Grosskonzerne unterliegen heute neuen Verpflichtungen in Bezug auf die Reduzierung ihrer schädlichen Umweltauswirkungen. Diese Anforderungen beeinflussen jedoch ihre gesamte Lieferkette, in die auch viele Schweizer KMU eingebettet sind. Wir hatten zum Beispiel den Fall von Gemüseproduzenten, deren Firmenkunden eine komplette Umstellung auf erneuerbare Energien fordern. Dieser neue Rahmen verpflichtet einige Unternehmen zu umfangreichen Investitionen und grundlegenden Überlegungen.

Die Kreislaufwirtschaft kann zudem die Wettbewerbsfähigkeit von KMU stärken, indem sie die Ressourcennutzung optimieren. Ein anderes Unternehmen, das wir begleitet haben, lieferte reparierbare Produkte, die in der Schweiz hergestellt wurden, aber teurer waren als die der Konkurrenten, die im Ausland produzierten und Wegwerfprodukte bevorzugen. Durch Veränderungen am Ökodesign konnten wir die Zahl der für die Produktion notwendigen Rohstoffe verringern. Der Hersteller konnte weiterhin seine reparierbaren "Swiss made" Produkte anbieten, nun aber zu wettbewerbsfähigeren Preisen.

Mit diesen Ansätzen können die Unternehmen nicht nur ihr Image bei den Konsumentinnen und Konsumenten verbessern, sondern auch bei potenziellen neuen Mitarbeitenden. Auch die Verankerung vor Ort wird dank des Aufbaus eines soliden lokalen Netzwerks gefördert, das sich positiv auf die Resilienz und die Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren auswirkt.

Was sind die grössten Schwierigkeiten für KMU im Bereich der Kreislaufwirtschaft?

Herbreteau: Das ist sehr unterschiedlich. Einige KMU machen die Kreislaufwirtschaft zu einer Hauptachse ihrer Strategie, haben manchmal aber keine Struktur, um ihre Umweltauswirkungen zu messen und ihre Schritte zu priorisieren. Andere haben zwar eine klare Vorstellung davon, welche Folgen ihre Tätigkeit für die Umwelt hat, tun sich aber aus finanziellen Gründen oder aufgrund von fehlendem Fachwissen schwer, entsprechend zu handeln. Die Realität vor Ort führt dazu, dass es mitunter schwierig für ein KMU ist, die nötigen Investitionen zu tätigen, selbst wenn sie sich langfristig als rentabel erweisen.

Welche Methodik wenden Sie an, um das Kreislaufpotenzial eines KMU zu bewerten?

Herbreteau: Die Begleitung durch die Agentur dss+ erfolgt in zwei Schritten. Der erste besteht in einer umfassenden Diagnose, die dazu dient, die Strategie des Unternehmens, seine mittelfristigen Herausforderungen, sein Umfeld und den verfügbaren Handlungsspielraum zu verstehen. Dann loten wir die verschiedenen Modelle der Kreislaufwirtschaft aus, die sich auf das Unternehmen anwenden lassen. So können wir unter anderem sein Kreislaufpotenzial auf der Ebene der Konzeption, der Produktion, der Lieferketten und des Vertriebs bestimmen. In der zweiten Phase präsentieren wir unsere Ergebnisse und schlagen mehrere an das Unternehmen angepasste Lösungen vor. Mit einem kollaborativen Ansatz entscheiden wir anschliessend gemeinsam, welche Projekte Priorität haben sollen.

Die Kreislaufwirtschaft betrifft eine relativ kleine Zahl an Wirtschaftsakteuren. Wie kann ein KMU ein lokales Netzwerk und Partnerschaften aufbauen?

Herbreteau: Projekte wie "La Fabrique Circulaire" können diese Synergieeffekte in Gang bringen. Vor Kurzem haben wir zum Beispiel für ein Unternehmen das Potenzial zur Speicherung und erneuten Nutzung von CO2 analysiert. Anschliessend haben wir den Kontakt zu einem Start-up hergestellt, das in der Lage ist, dieses CO2 zu verwerten, und die Zusammenarbeit so lange begleitet, bis ein konkretes Projekt für eine Förderung durch kantonale Zuschüsse eingereicht wurde.

Ausserdem können wir die Unternehmen mit verantwortungsvoll wirtschaftenden Lieferanten in Kontakt bringen oder die Umstellung auf nachhaltigere Arbeitsmethoden fördern. Nicht zuletzt gibt es verschiedene Initiativen, welche die KMU diesbezüglich ermutigen und unterstützen. Der Bund fördert über sein Instrument Reffnet Unternehmen, die ihren Ressourcenverbrauch senken möchten.


Zur Persona / Firma

Benjamin Herbreteau, Experte für industrielle Ökologie

Der Umweltingenieur Benjamin Herbreteau hat einen Master im Bereich Nachhaltige Entwicklung und Process Engineering der Chalmers University of Technology in Göteborg (Schweden). Er war 10 Jahre in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des französischen Konzerns Veolia tätig, bevor er in die Nachhaltigkeitsberatung wechselte. 2017 stieg er bei der Genfer Agentur Sofies SA ein (die 2021 von der Gruppe dss+ übernommen wurde) und nahm in den Kantonen Genf und Waadt (2023) als Koordinator der technischen Studien an den Projekten von "La Fabrique Circulaire" teil.

Letzte Änderung 21.08.2024

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