Die Zunahme der Produktivität aufgrund des technologischen Fortschritts hat einige Schweizer Unternehmen dazu veranlasst, ihre Arbeitswoche auf vier Tage zu reduzieren. Diese Veränderung bedeutet jedoch, dass bestimmte Bedingungen eingehalten werden müssen. Erfahrungen von Stefan Planzer, CEO von Addvanto, einer Agentur für digitales Marketing, die das Modell erfolgreich ausprobiert hat.
Die Unternehmen müssen sich immer mehr ausdenken, um auf dem hart umkämpften Arbeitsmarkt die besten Köpfe für sich zu gewinnen. Die 4-Tage-Woche hat in die öffentlichen Debatten Einzug gehalten und ist überall in Europa zu einem gesellschaftlichen Thema geworden. Die konkrete Umsetzung des Modells in der Arbeitswelt verläuft jedoch schleppend. Dabei bietet die Reduzierung der Arbeitszeit ein erhebliches Potenzial, um die Attraktivität der KMU zu steigern, insbesondere im Vergleich zu konkurrierenden Grossunternehmen, die über mehr Geld verfügen. Stefan Planzer leitet die Firma Addvanto, die auf digitales Marketing spezialisiert ist und eines der ersten Schweizer Unternehmen war, das 2022 die 4-Tage-Woche einführte. Er spricht über die Herausforderungen, die mit der Umsetzung einer solchen Organisation verbunden sind.
Aus welchen Gründen sind Sie von fünf zu vier Arbeitstagen pro Woche übergegangen?
Stefan Planzer: Die Art der Arbeit und der Aufgaben im Bereich des digitalen Marketings haben sich in den letzten 20 Jahren erheblich verändert. Wir sind von Werbeanzeigen und Fernsehspots auf rein digitale Formen umgestiegen und unsere Prozesse beruhen nun auf Datenverarbeitung, Automatisierung, Algorithmen usw. Diese Entwicklung wirkt sich automatisch auf die Art der von uns gesuchten Qualifikationsprofile aus. Wir stehen mittlerweile oft in Konkurrenz zu Grossunternehmen, die ihren Beschäftigten hohe Löhne bieten können. Als KMU mussten wir eine Möglichkeit finden, uns von den anderen abzuheben. Die 4-Tage-Woche hat unsere Attraktivität gesteigert. Früher erhielten wir pro Anzeige etwa fünfzehn Bewerbungen. Heute kommen wir leicht auf über hundert.
Welche Rolle hat die Gesundheitskrise bei dieser Neuorganisation gespielt?
Planzer: Die wiederholten Lockdowns haben den Boden dafür bereitet, denn dadurch waren wir gezwungen, schnell und effizient neue Arbeitsmethoden einzuführen. Gleich nach der Krise haben wir noch einige Zeit weiter am Homeoffice festgehalten. Jetzt wo die Pandemiebeschränkungen aufgehoben sind, sind wir zu einem weitgehend auf Präsenz beruhenden Arbeitszeitmodell zurückgekehrt. Homeoffice bedeutet für unser sehr interdisziplinäres und agiles Projektmanagement einfach eine zusätzliche Schwierigkeit. Die Interaktionen zwischen Kollegen, die für gute Betriebsabläufe nötig sind, verlaufen in Präsenz viel effizienter und weniger stockend als auf Distanz. Und gerade durch ein Mehr an Effizienz kann ein Unternehmen seinen Beschäftigten einen zusätzlichen freien Tag ermöglichen.
Wie haben Sie diese 4-Tage-Woche konkret umgesetzt?
Planzer: Zunächst einmal mussten wir darüber nachdenken, was diese neue Organisation für unsere Arbeitsverhältnisse, unser Kundenmanagement, die Arbeitsabläufe und neue notwendige Instrumente für das Monitoring bedeutet. Wir haben auch einen Plan für den Fall entworfen, dass wir zu einer 5-Tage-Woche zurückkehren müssen. Der einzige Fehler, den wir gemacht haben, war der, dass wir es den Beschäftigten überlassen haben, sich ihren freien Tag selbst auszusuchen. Wir standen dann mit Teams da, die nie vollständig waren und dadurch nie mit voller Kapazität arbeiten konnten. Das hat das Management und den Fortschritt der Projekte manchmal sehr kompliziert gemacht. Die Teams haben uns sehr bald mitgeteilt, dass sie damit nicht zurechtkommen. Wir haben uns dann auf einen gemeinsamen freien Tag für alle geeinigt, und zwar auf den Freitag.
Diese Veränderung konnten wir durchführen, weil unsere Teams leistungsfähig waren und wir schon gut auf dem Markt etabliert waren. Trotz aller Vorteile der 4-Tage-Woche muss man im Kopf behalten, dass so eine Umstellung eine Übergangszeit mit sich bringt, die sich als chaotisch erweisen kann.
Belgien hat die 4-Tage-Woche 2022 in sein Arbeitsgesetzbuch aufgenommen. Die Anzahl der wöchentlichen Arbeitsstunden bleibt aber unverändert. Wie ist das bei Addvanto?
Planzer: Wir haben eine "echte" 4-Tage-Woche eingeführt, mit einem Arbeitspensum, das 34 Wochenstunden entspricht. Wir arbeiten mit einem Modell, das nicht auf der Zahl der im Büro verbrachten Stunden basiert, sondern auf der Produktivität unserer Teams. Eine solche Organisation belohnt Effizienz, verpflichtet uns aber auch zu vorausschauender Planung. Damit das Modell auf Dauer funktioniert, müssen wir gewährleisten, dass unsere Kunden und unsere Partner durch unsere Abwesenheit am Freitag keine Nachteile haben. In bestimmten Einzelfällen ist es erforderlich, manchmal für einen Kunden einige Stunden am Freitag zu arbeiten und wir können auch flexibel sein. Aber unsere Methode bringt uns dazu, Fristen früher anzusetzen, damit wir an diesem Arbeitstag nie in Verzug geraten.
Haben Sie in Bezug auf das Wohlbefinden und die Gesundheit Ihrer Angestellten eine Verbesserung festgestellt?
Planzer: Es ist schwer, das genau zu messen. Die Krankheitstage haben sich ein wenig verringert, um ungefähr einen Fünftel oder einen Viertel. Ich habe vor allem eine Zunahme der Motivation und der positiven Einstellungen bemerkt. Die Beschäftigten sind stolz darauf, dass sie bei uns arbeiten und von diesem Vorteil profitieren können, und sie sprechen viel in ihrem Umfeld darüber. In den letzten beiden Jahren haben wir mehrere Personen eingestellt, die auf Empfehlung gekommen sind, und aus unserer Belegschaft ist niemand gegangen.