"Weiterbildungen müssen Teil der Unternehmenskultur werden"

Die Kompetenzen der Mitarbeitenden für die Anforderungen von morgen fit zu machen gehört zu den grössten Herausforderungen für KMU. Dazu müssen Weiterbildungen Teil der Unternehmensstrategie werden.

Digitalisierung, Flexibilisierung, Technologisierung: Das sind nur drei der grossen Herausforderungen, mit denen sich Schweizer Unternehmen aktuell auseinandersetzen müssen. Diese Trends haben für Arbeitnehmende zur Folge, dass die Anforderungen im Beruf steigen. Für Arbeitgebende ist es wichtig, ihren Mitarbeitenden die nötigen Kompetenzen zu geben, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Entscheidend wird dabei sein, wie es die Unternehmen schaffen, das Instrument der Weiterbildung in ihre Abläufe zu integrieren. Laut Bernhard Grämiger, Direktor des Schweizerischen Verbandes für Weiterbildung (SVEB), müssen sich alle Branchen mit diesem Thema auseinandersetzen, da es in den nächsten Jahren zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor werden wird. Im Interview erklärt er unter anderem, wie Weiterbildungen effizient organisiert werden können.

Wie ernst nehmen Schweizer Unternehmen das Thema Weiterbildung?

Bernhard Grämiger: Schaut man auf den internationalen Vergleich, steht die Schweiz gut da: 65% der Personen zwischen 15 und 75 Jahren haben im Verlauf eines Jahres an Weiterbildung teilgenommen – der OECD-Durchschnitt liegt bei 47%. Allgemein lässt sich sagen, dass 98% der Grossunternehmen sowie 87% der KMU in Weiterbildungsmassnahmen für ihre Mitarbeitenden investieren. Es gibt aber durchaus Potential für Verbesserungen, denn diese Zahlen sagen noch nichts darüber aus, wie intensiv solche Massnahmen tatsächlich umgesetzt werden. So bilden sich Mitarbeitende von Grossunternehmen wesentlich häufiger fort als Mitarbeitende von KMU, wo nur etwa ein Drittel der Angestellten gefördert werden. Hinzu kommt, dass in der Schweiz Weiterbildung vorrangig ein Thema für Gutqualifizierte ist. 

Welche anderen Unterschiede gibt es zwischen Grossunternehmen und KMU?

Grämiger: In den meisten Grossunternehmen wird das Thema Weiterbildung als strategischer Faktor angesehen. Es geht darum, die Kompetenzen der Mitarbeitenden kontinuierlich zu verbessern, um sie an neue Anforderungen des Marktes anzupassen. In KMU wird häufig bedarfsorientiert gehandelt. Das heisst, oft wird erst gehandelt, wenn eine neue Situation eintritt. Meistens ist es dann bereits zu spät.

Wie sollten Weiterbildungen in KMU organisiert werden?

Grämiger: Das Thema sollte auf der Führungsebene behandelt werden, in kleineren Unternehmen als Chefsache. In einem strategischen Prozess sollten kontinuierlich die Ziele und die Bedürfnisse des Unternehmens oder einzelner Teams bestimmt und wenn nötig durch Weiterbildungsmassnahmen unterstützt werden. Als Faustregel kann festgehalten werden, dass jeder Mitarbeitende etwa eine Massnahme pro Jahr wahrnehmen sollte.

Es ist ebenfalls wichtig, dass Lernen zu einem Teil der Unternehmenskultur wird. Weiterbildung sollte von allen Beteiligten als Selbstverständlichkeit wahrgenommen wird. 

Sollten Weiterbildungen innerhalb oder ausserhalb des Unternehmens stattfinden?

Grämiger: Das kommt sehr auf die Inhalte der Weiterbildungsmassnahme an. Für sehr spezifisches Fachwissen ist es ratsam, einen externen Kurs für die Mitarbeitenden zu organisieren. Manchmal kann ein Tapetenwechsel, gerade für Teams, sehr innovationsfördernd sein. Für Themen, die nah am Unternehmensalltag sind, kann es hingegen sinnvoll sein, in den firmeneigenen Räumlichkeiten interne Weiterbildungsformen zu nutzen.

Wer sollte für die Kosten der Weiterbildung aufkommen?

Grämiger: Prinzipiell ist es so, dass das neu erworbene Wissen dem Unternehmen zukommt. Deshalb sollte dieses für die Kosten aufkommen. Es gibt natürlich auch Fälle, in denen ein einzelner Mitarbeiter oder eine einzelne Mitarbeiterin längere Weiterbildungsmassnahmen, wie zum Beispiel ein MBA, wahrnehmen möchten. In solchen Situationen kommt zu dem zeitlichen Faktor, dass das erworbene Wissen durchaus auch in anderen Unternehmen angewendet werden kann. Deshalb bietet sich hier eine Mischfinanzierung an. Die kann entweder rein finanziell geregelt sein, oder aber beispielsweise auch, indem der oder die Mitarbeitende die Kosten für die Weiterbildung übernimmt, das Unternehmen dafür Zeit bereitstellt – oder umgekehrt. Letztendlich ist die Kostenfrage bei Weiterbildungsmassnahmen immer auch Verhandlungssache.

Auf welche bestehenden Angebote können KMU zurückgreifen?

Grämiger: Der SVEB bietet auf dem Portal Weiterbildung.Swiss eine Übersicht über fast 40'000 Angebote. Generell ist Weiterbildung in der Schweiz eher privat organisiert, im Gegensatz zu den skandinavischen Ländern zum Beispiel, wo die öffentlichen Akteure sehr proaktiv an das Thema herangehen. Diese Tatsache ist auch ein Grund dafür, dass der Markt sich hierzulande eher an Gutqualifizierte richtet, mit speziellen Masterprogrammen oder Zusatzqualifikationen, für die es bereits hohe Grundvoraussetzungen braucht.


Informationen

Zur Person/Firma

Bernhard Grämiger, Direktor des Schweizerischen Verbandes für Weiterbildung

Bernhard Grämiger ist Direktor des Schweizerischen Verbandes für Weiterbildung. Neben seinen Führungsaufgaben setzt er sich auf bildungspolitischer Ebene sowie im Rahmen von Innovationsprojekten für die Förderung der Weiterbildung ein.

Letzte Änderung 15.04.2020

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