Das Zürcher Unternehmen HeiQ setzt auf Innovation und Nachhaltigkeit. Es produziert Textilfasern aus pflanzlichen Materialien.
Nachhaltige Textilien zu entwerfen und deren ökologischen Fussabdruck zu verkleinern – das ist das Markenzeichen des Zürcher KMU HeiQ. Sein Geschäftsmodell basiert auf Innovationen, denen sich heute 85 Beschäftigte in rund einem Dutzend Ländern widmen. Das Unternehmen wurde mit dem Umweltpreis der Wirtschaft 2019 ausgezeichnet, der von dem Verein Go for Impact und der Schweizerischen Umweltstiftung verliehen wird. Carlo Centonze, CEO von HeiQ, gibt Einblicke in die Arbeit seiner Firma.
Warum haben Sie sich für die Kreislaufwirtschaft entschieden?
Carlo Centonze: Zunächst einmal aus Überzeugung. Ich wurde schon früh für die Fragen im Zusammenhang mit Umwelt und Nachhaltigkeit sensibilisiert. Deshalb habe ich Natur- und Umweltwissenschaften an der ETH Zürich studiert und anschliessend myclimate gegründet, eine NGO, die im Bereich der Reduzierung von CO2-Emissionen tätig ist. Ausserdem sind die Konsumenten von heute gut informiert und wollen nachhaltigere Produkte kaufen.
Was sind die grössten Herausforderungen dieses Marktes für ein Unternehmen?
Centonze: Der Preis beeinflusst den Kaufprozess des Konsumenten immer noch zu 60%. Für ein Unternehmen, das auf Kreislaufwirtschaft setzt, ist es also die Herausforderung, ein nachhaltiges Produkt anzubieten, das nicht teurer ist als das Konkurrenzprodukt, am besten sogar billiger. Das bedeutet sehr viel Forschungsarbeit, um gleiche Leistungen zu erreichen wie bei einem Produkt, das auf Erdölbasis hergestellt wird. Wie konzentrieren uns auf die Verwendung von Biopolymeren und arbeiten mit mehreren kleinen Produzenten zusammen, von denen wir abhängig sind. Die Reaktionen dieses Rohstoffmarktes sind also schwerer im Vorfeld abzusehen.
Wie sieht es mit den Anfangsinvestitionen aus?
Centonze: Um die Dinge zu verändern, muss man Innovationen entwickeln, und das kostet viel Geld. Für die grossen Unternehmen, die in der Regel genug Gewinn machen, um in Forschung und Entwicklung (F+E) investieren zu können, ist das kein Problem. Die Start-ups wiederum profitieren heute von einem guten Umfeld und von Fördergeldern, die Innovationen unterstützen und die Entwicklung ihres Potenzials ermöglichen. Dazwischen sind die KMU, für die hohe Investitionen in F+E ein grosses Risiko darstellen: Wenn sie scheitern, steht das ganze Unternehmen auf dem Spiel. Die Schweiz würde meiner Meinung nach viel davon haben, wenn sie KMU zu Innovationen anregt, indem sie geeignete Hilfen anbietet, zum Beispiel Möglichkeiten des Steuerabzugs proportional zu den F+E-Investitionen.
Wie läuft der Innovationsprozess in Ihrem Unternehmen ab?
Centonze: Wir beginnen immer damit, den Markt und seine Trends zu analysieren. Unser Ziel ist es, den Erwartungen und Bedürfnissen des Endkunden zu entsprechen. Sobald wir eine neue Geschäftsgelegenheit gefunden haben, kontaktieren wir einen potenziellen Kunden, dem sie gefallen könnte. Wenn das der Fall ist, wird er ein Sponsor, mit dessen Hilfe wir einen grossen Teil der F+E kofinanzieren können. Wir haben ein Team aus zwölf Chemikern und verfügen über ein Netzwerk von rund vierzig Chemie-Doktoranden, die auf vierzehn Universitäten in der ganzen Welt verteilt sind.
Was machen Sie, um Ihren ökologischen Fussabdruck zu verkleinern?
Centonze: HeiQ entwickelt innovative Technologien, deren Hauptziel darin besteht, die Auswirkungen auf die Umwelt möglichst gering zu halten. Wir haben zum Beispiel IKEA dabei geholfen, ein neues Verfahren zum Färben von Polyester für seine Produkte zu entwickeln. Diese Innovation wurde mit dem Umweltpreis der Wirtschaft 2019 ausgezeichnet.
Wie grenzen Sie sich von Ihren Konkurrenten ab?
Centonze: Bis vor Kurzem wurden die Entscheidungen im Zusammenhang mit der Technologie eines Textilprodukts von den Lieferanten getroffen und nicht von den Marken, die es verkaufen. Heute stehen die Marken im Zentrum der Gespräche. Unsere Stärke ist, dass wir diese Veränderung vor den anderen antizipiert haben. Wir heben uns auch dadurch hervor, dass wir technologisches Know-how und Marketing mischen, was eher selten ist, da es sich meistens um abgeschottete Bereiche handelt.
Auf welche Finanzierungsquellen greifen Sie zurück?
Centonze: Seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 2005 haben wir bei rund einhundert Investoren etwa CHF 25 Millionen an Kapital eingeworben.
Entsprechen Ihre Finanzergebnisse Ihren Erwartungen?
Centonze: Seit fünf Jahren steigen unsere Umsätze um rund 20% pro Jahr. Für 2019 erwarten wir allerdings eine Verlangsamung infolge des Handelskriegs zwischen China und den USA, die zwei unserer wichtigsten Märkte darstellen.
Was würden Sie jungen Unternehmerinnen und Unternehmern raten, die auf Kreislaufwirtschaft setzen wollen?
Centonze: Das ist ein faszinierendes und vielversprechendes Gebiet mit Zukunft, aber es bringt auch Herausforderungen mit sich. Wie genau wird man Geld verdienen können? Wenn man auf diese Frage keine Antwort findet, heisst das, dass das Geschäftsmodell noch nicht solide genug ist. Zudem sind die Ressourcen oft begrenzt, wenn man anfängt. Die Auswahl der Investitionen sollte gut durchdacht sein, damit man sich nicht verzettelt. Und schliesslich sollte man ein solches Projekt nie allein in Angriff nehmen, sondern sich mit Personen verbinden, welche die eigenen Kompetenzen ergänzen und fördern.