Wollen Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben, empfiehlt es sich, ihre Effizienz mithilfe der Digitalisierung zu optimieren. Das gilt auch für KMU in Bergregionen.
Als stellvertretende Geschäftsleiterin des Unternehmens Gebrüder Augsburger Rhonemühle Naters (GARN) im Wallis, absolviert Rahel Gemmet eine Weiterbildung im Bereich Digitalisierung und steht nun vor dem Abschluss ihres Studiums MAS Industrie 4.0.
Finanziell unterstützt wurde ihre Weiterbildung von der Berghilfe. Der Verein unterstützt Unternehmen in den Berggebieten mit weniger als 50 Vollzeitäquivalenten und bezahlt 50% der Kurskosten (die Maximalunterstützung beträgt CHF 5'000). Rahel Gemmet erklärt im Interview, was die digitale Transformation für ihre Arbeit bringt.
Was hat Sie für das Studium in Digitalisierung motiviert?
Rahel Gemmet: Die Digitalisierung verändert unseren Arbeitsmarkt, einerseits in den Unternehmen, beispielsweise durch Home-Office oder den Einsatz von Robotik, andererseits stellen der Kunden neue Anforderungen, welche mit neuen Dienstleistungsangeboten wie Bestellungen per Smartphone bedient werden müssen. Der Wandel bei Geschäftsprozessen verändert auch die Anforderungen an Führungs- und Fachkräfte. Mit der Weiterbildung und dem MAS Industrie 4.0 im Bereich Digitalisierung wollte ich den aktuellen Stand der Technik kennenlernen und das Wissen vertiefen. Wo es möglich ist, möchte ich auch Anregungen und Ideen für meinen Arbeitgeber formulieren und ihn bei deren Umsetzung unterstützen.
Hätten Sie die Ausbildung ohne Unterstützung der Berghilfe gemacht?
Gemmet: Die Unterstützung der Berghilfe ist sicherlich eine zusätzliche Motivation. Ich habe mich jedoch schon immer für Themen rund um die Digitalisierung interessiert und war schon als Kind computeraffin. Daher hätte ich die Weiterbildung auch ohne Unterstützung gemacht. Die Digitalisierung eignet sich sehr, um den "Brain-Drain" aus dem Berggebiet in die Zentren zu bremsen. Egal ob jemand seinen Sitz in Zürich oder im Obergoms hat können die gleichen Produkte und Dienstleistungen geliefert werden. Die Digitalisierung trägt so dazu bei, die Abwanderung aus den Randgebieten zu reduzieren und in der Peripherie Arbeitsplätze und Einkommen zu fördern, kurz: Arbeits- und Lebensraum.
Wie können Sie das Gelernte bei Ihrer Arbeit einsetzen?
Gemmet: Prozesse in Unternehmen werden nicht von heute auf morgen verändert und gewachsene Strukturen noch weniger. Das Gelernte kann daher nicht direkt eins zu eins umgesetzt werden. Das Studium ist jedoch sehr praxisnah. So erarbeitete ich beispielsweise eine Digitalstrategie für die Firma GARN sowie ein Massnahmenkonzept zur Erhöhung der Funktionssicherheit eines Mühlenunternehmens. Das Studium hat meine Arbeitsweise bereits verändert. Ich arbeite mehrheitlich digital und versuche Papier-Dossiers möglichst zu vermeiden.
Die Mühlenbetreiberin Groupe Minoteries (GMSA) in Granges-près-Marnand im Kanton Waadt, welche Anfang dieses Jahres 100 Prozent der Aktien der Firma GARN übernommen hat, gibt mir die Möglichkeit, bei neuen Projekten im Zusammenhang mit der Digitalisierung mitzuarbeiten und so den Wandel mitzugestalten. Zurzeit sind wir daran, das elektronische Dokumenten-Managementsystem zu erneuern. Das unterstützt auch meine neue Tätigkeit.
Seit August bin ich verantwortlich für die Lebensmittelsicherheit und das Umweltmanagement der ganzen Mühlengruppe, die in der Schweiz sieben Standorte hat und 200 Mitarbeitende beschäftigt. Es ist eine Stabsstelle auf Ebene der Geschäftsleitung.
Wo kommt die Digitalisierung bei einem jahrhundertealten Unternehmen mit 13 Mitarbeitenden wie der Rhonemühle zum Einsatz?
Gemmet: Die Produktionsseite der Müllerei ist allgemein bereits stark automatisiert. Mit dem neuen SAP-Buchhaltungssystem soll nun die Warenbuchhaltung vom Rohstoff bis zum Endprodukt digital erfasst werden. Heute erfasst das Produktionssystem zwar die Zahlen,aber der Übertrag in die Warenbuchhaltung muss noch von Hand in das Buchhaltungssystem erfolgen. Der nächste Schritt wäre, dass die Daten automatisch vom Produktionssystem ins SAP übertragen werden.
Welche Vorteile bringt die digitale Transformation für Ihre Arbeit?
Gemmet: In der Rhonemühle haben wir zurzeit eher eine konservativ-defensive Variante der Digitalisierung. Es geht darum, Kosten zu sparen und die Rentabilität zu erhöhen. Also alles wie bisher, nur effizienter. Durch die Realtime-Datenerfassung kann jederzeit festgestellt werden, welche Produktion auf der Anlage läuft. Weiter wird feststgestellt, welcher Rohstoff verwendet wird, wie die Lagerbestände von Rohstoffen, Zwischen- und Endprodukten sind, und welche Kunden mit welchen Produkten beliefert werden. Ein Abwarten bis zum Schichtende und die manuelle Datenerfassung im System entfällt. Zudem können die Daten auch von extern eingesehen werden. Der Betriebsleiter muss also nicht zwingend vor Ort sein, um die aktuellen Produktionsdaten zu sehen. Wir sind damit hinsichtlich der Arbeit verstärkt zeit- und ortsunabhängig. Im Gegensatz zu der oben erwähnten defensiven Strategie, liegt der grosse Vorteil der Digitalisierung im offensiven Ansatz.
Was empfehlen Sie KMU mit Blick auf die Digitalisierung?
Gemmet: Den Anschluss nicht zu verpassen, denn die Digitalisierung wartet nicht. Aber es muss auch nicht alles auf einmal digitalisiert werden. Nötig ist, eine gute Standortanalyse des Unternehmens und der Branche durchzuführen und es ist von Vorteil, mit kleinen Projekten zu starten. Einer der wichtigsten Punkte ist, wie bei jeder Veränderung, die Mitarbeitenden miteinzubeziehen. Zusätzlich immer wieder kritisch hinterfragen, ob das gewählte Ziel immer noch das richtige ist und ob es mit adäquaten Mitteln verfolgt wird.