Frauen und Männern haben nicht immer dieselben Motive, wenn sie ein Unternehmen gründen. Tipps, um sich von Klischees zu lösen und als Unternehmerin erfolgreich zu sein.

Geschäftsführerinnen sind nach wie vor unterrepräsentiert, doch ihr Anteil nimmt allmählich zu. Laut Angaben des Bundesamtes für Statistik (BFS) waren 1991 nur 28,2% der Firmenleitungen weiblich, im zweiten Quartal 2018 hingegen 37,3%.
Dieser zahlenmässige Anstieg bedeutet jedoch nicht unbedingt einen Sinneswandel und der soziale Druck bleibt hoch. "In der Schweiz hört noch jede dritte Frau bei der Geburt ihres ersten Kindes auf zu arbeiten", schätzt Françoise Piron, Coach in Lausanne mit Schwerpunkt auf Einzelcoaching und Expertin für Gleichstellungsfragen in der Arbeitswelt. "Die Unternehmenswelt ist nach wie vor im Wesentlichen von Männern für Männer gemacht und das kann wie ein Bremsklotz wirken." So sehr dieser Unterschied stören mag, kann er aber auch ein Antrieb sein: Die Tatsache, dass sie sich in den männlichen Codes dieser Arbeitswelt nicht wiederfinden, bringt einige Frauen dazu, sich selbstständig zu machen.
Motive sind altersabhängig
Die Absichten der Frauen, die eine eigene Firma gründen, unterscheiden sich je nach ihrer Altersgruppe. Laut Françoise Piron gibt es – ohne zu pauschalisieren – drei Typen von Unternehmerinnen. "Die einen, die sich ähnlich wie ihre männlichen Kollegen gleich nach dem Abschluss ihres Studiums ins Unternehmertum stürzen. Andere, die sich mit knapp 40 Jahren, wenn die Kinder grösser sind, in ihrer gut bezahlten früheren Arbeit nicht mehr wiederfinden und sie aufgeben, um ihre eigene Firma zu gründen. Und schliesslich die Älteren, die mit 55+ ihren Job verlieren und wieder auf den Arbeitsmarkt streben, indem sie sich selbstständig machen, oder die im Rentenalter noch nicht aufhören wollen."
Der Wunsch, ihre gesamten Kompetenzen einzubringen, war für die Waadtländerin Corinne Vallotton die Motivation, mit 44 Jahren ihre Firma für Persönlichkeitscoaching und Sprachen zu gründen. "Ich wollte eine Tätigkeit, in der ich all meine Erfahrungen nutzen und eine andere Methode anbieten kann. Im Angestelltenverhältnis war ich zu sehr eingeschränkt und es gab diese Möglichkeit der Vielfalt nicht. Indem ich meine eigene Firma gründete, bekam ich Abwechslung und konnte meiner Arbeit einen Sinn geben."
Das Business an die eigene Situation anpassen
Themen wie die Einnahmen des Unternehmens und die Zeit, die man in die selbstständige Erwerbstätigkeit investiert, sind Bereiche, in denen weiterhin markante Unterschiede zwischen Männern und Frauen bestehen. "Viele Frauen möchten, wenn sie sich selbstständig machen, alles so organisieren können, wie sie es wollen", macht Françoise Piron deutlich. "Sie arbeiten häufig alleine, parallel zu ihrem Familienleben, das ihnen viel Zeit abverlangt und sie auch bremst. Manchmal wandeln sie einfach ihre vorherige Beschäftigung in eine Selbstständigkeit um. In diesem Fall arbeiten sie überwiegend zu Hause, ohne grosse Risiken oder Investitionen auf sich zu nehmen." Aus Sicht der Expertin ist es erfüllender und zielführender, sein Geschäft ausserhalb der Wohnung, zum Beispiel in einem Coworking-Space, aufzubauen und ihm eine feste Zeit zu widmen, ohne sich durch den Alltag stören zu lassen. "Ich gehe ins Café Emploi, um mein Wissen und mein Netzwerk zu erweitern und mich auch von anderen Werdegängen inspirieren zu lassen", erklärt beispielsweise Corinne Vallotton.
Die Flexibilität der Rolle einer Geschäftsführerin ermöglicht eine Anpassung an eine Vielzahl von Lebenssituationen. Von der Nebentätigkeit oder sporadisch ausgeübten Selbstständigkeit bis zum Status einer Firmenchefin mit einem Team von Angestellten ist für jede Frau eine Option dabei, die zu ihr passen könnte. "Leidenschaft, zu wissen, was man will, und im Einklang mit den eigenen Erwartungen zu sein, sind meiner Meinung nach gute Voraussetzungen, wenn man loslegen will. Ihr Geschlecht oder die Familie dürfen für eine Frau keine Bremse darstellen, wenn sie Unternehmerin sein will", meint Françoise Piron.
Ungenutztes Potenzial
Das gilt vor allem heute, in einer Arbeitswelt, in der Frauen und Männer gleichermassen qualifiziert sind. Diese Entwicklung hilft den Frauen, ihren Platz in der Unternehmenswelt zu finden. Ausserdem geben immer mehr Männer ihre Verantwortlichkeiten gern ab, um einen Gang runter zu schalten oder mehr Zeit für ihre Kinder zu haben. "Diese neue Männer-Generation ermutigt ihre Partnerinnen mühelos bei dem Schritt in die Selbstständigkeit", freut sich Françoise Piron.
Während 53% der Absolventen mit Masterabschluss heute Frauen sind, können sich noch wenige von ihnen vorstellen, ein Unternehmen zu leiten. "Man muss auch die Denkweisen verändern, und zwar von Kindesbeinen an. Es ist wirtschaftliche Verschwendung, das weibliche Potenzial nicht voll zu nutzen!"
Informationen
Zum Thema
Drei Fragen an Monique R. Siegel, Management-Expertin in Zürich.
Sie leiten schon seit 1980 Unternehmen. War es damals schwierig für eine Frau, Unternehmerin zu sein?
Das war ziemlich aussergewöhnlich, vor allem weil ich eine angesehene und gut bezahlte Arbeit aufgegeben hatte, um meine Firma aufzubauen. Aber ich habe dieses Bedürfnis nach Unabhängigkeit im Blut und ich stamme aus einer Unternehmerfamilie. Die einzige Lösung, um meine Ideen entwickeln zu können, war die Gründung einer eigenen Firma.
Ist die Lage heute anders?
Heute gehört es fast dazu, dass man sich einmal in der Gründung eines Start-ups versucht hat, besonders für die Generation der "Millennials". Ab dem Moment, wo man eine gute Idee und einen realisierbaren Finanzbedarf hat, ist es nicht schwer, den Schritt zu gehen, egal ob Mann oder Frau. Es gibt auch immer mehr weibliche "Business Angels" und Zusammenschlüsse von Menschen, die Unterstützung für junge Firmengründerinnen bieten.
Was würden Sie einer Jungunternehmerin raten?
Zunächst ist es wichtig, dass Sie an sich glauben. Wenn Sie nicht an sich selbst, an Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung glauben, wer soll das dann tun? Man muss lernen zu überzeugen, ohne arrogant oder überheblich zu wirken. Dann sollte man einen realistischen Businessplan erstellen und sein Publikum bei der Präsentation überraschen. Und schliesslich muss man mit Leidenschaft und Freude dabei sein. Ohne Motivation und positive Emotionen ist das Unternehmertum unmöglich.
Letzte Änderung 05.12.2018