Die besten Lehrlinge der Schweiz traten bei der zweiten Auflage der Berufsmeisterschaften gegeneinander an. Ein Anlass, um einen immer noch zu häufig abgewerteten Karriereweg zu würdigen.

Das schweizerische Berufsbildungssystem geniesst weltweit hohes Ansehen. Regelmässig kommen ausländische Delegationen, um sich von diesem Modell, das Theorie und Praxiserfahrung im Unternehmen verbindet, inspirieren zu lassen. Dennoch wird dieser Weg weiterhin als "Plan B" zum Hochschulstudium angesehen, besonders in der Westschweiz und im Tessin. Der Wettbewerb SwissSkills, dessen zweite Austragung vom 12. bis 16. September stattfand, will das korrigieren.
Vier Tage lang wetteiferten die besten Lehrlinge aus der ganzen Schweiz miteinander, um ihre Leidenschaft und ihr Talent zur Schau zu stellen und den Besucherinnen und Besuchern einen Teil der Berufe zu präsentieren, die durch eine Lehre zugänglich sind. In 75 Berufen wurde ein Wettbewerb ausgetragen, 60 weitere wurden vorgestellt. Insgesamt nahmen 900 Lernende zwischen 17 und 19 Jahren an der Veranstaltung teil. Drei von ihnen sprachen mit uns darüber, was sie im Berufsalltag motiviert.
"Meine Liebe zur Informatik macht diesen Beruf leicht"
Alex Boschetto (19), IT-Systemtechniker, Tessin

Alex Boschetto begeistert sich seit seiner Kindheit für Informatik und so musste er nicht lange überlegen, um sich für einen Beruf zu entscheiden. Auch dass er den Weg einer Berufsbildung wählen würde, stand für ihn fest. "Für mich ist das ein optimales System, ich mag die Tatsache, dass der Schwerpunkt auf die Praxis gelegt wird und nicht nur auf die Theorie."
Das heisst aber nicht, dass der junge Mann, der diesen Sommer seine Ausbildung als IT-Systemtechniker in dem Tessiner Pharmaunternehmen Cerbios-Pharma abgeschlossen hat, das Thema Studium links liegen lässt. Parallel zu seiner Ausbildung erwarb er eine Berufsmatura und im Herbst wird er ein Bachelorstudium an der Universität Tessin aufnehmen und weiter zu 70% bei seinem Arbeitgeber beschäftigt sein.
Von allen Facetten, die zu seiner Arbeit gehören, mag der Tessiner besonders den Bereich Web-Entwicklung. "Ich mag die kreative Seite und die Tatsache, dass man das Ergebnis direkt sieht." Er ist stolz darauf, einen Berufszweig gewählt zu haben, der sich ständig verändert. "Meine Freunde nehmen meinen Beruf als schwierig wahr, aber da ich eine echte Liebe zur Informatik verspüre, erscheint es mir fast leicht."
"Ich mag die Technik und die Herausforderungen bei der Mechanik"
Oona Gygax (19), Fahrradmechanikerin, Bern

Die Entscheidung für die Fahrradmechanik war für Oona Gygax eine Kehrtwende. Ursprünglich wollte die junge Frau eher eine Designschule besuchen. "Im Vorbereitungsjahr wurde mir klar, dass man in den Berufen aus diesem Bereich vor allem digital arbeitet. Mir gefällt aber das Analoge", erklärt sie.
Also dachte sie über Fahrradmechanik nach, womit sie während der obligatorischen Schulzeit schon Erfahrungen sammeln konnte. "Der technische Aspekt hatte mir damals gut gefallen", sagt sie. Die aus Winterthur stammende Frau, für die das Velo bisher nur ein Transportmittel gewesen war, beschloss daraufhin, es zu ihrem Beruf zu machen und arbeitet nun für den Velokurierladen in Bern.
Diese berufliche Neuausrichtung passt perfekt zu ihr. "Ich mag den Kontakt zu den Kunden und die Herausforderung, selbst eine Lösung für ihre technischen Probleme finden zu müssen." Ihre Freunde kommen regelmässig zu ihr in die Werkstatt, wenn etwas repariert werden muss. "Sie finden, dass ich eine tolle Arbeit habe. Es wissen aber nur wenige, dass Fahrradmechaniker ein richtiger Beruf ist."
"Meine Entwürfe auf dem Laufsteg zu sehen, macht mich stolz"
Guillaume Karlen (19), Bekleidungsgestalter, Wallis

Guillaume Karlen war der Schneiderei schon früh verfallen. "Meine Grosseltern hatten mir eine Nähmaschine geschenkt und als ich etwa 10 Jahre alt war, nähte ich für die ganze Familie Taschen aus Filz", erzählt der 19-jährige Walliser. Er zögerte jedoch zunächst zwischen Architektur und Versicherungen, bevor er am Couture-Lehratelier in Siders eine Lehre als Bekleidungsgestalter begann.
Zurzeit arbeitet der junge Designer, der eine Halbzeitstelle in einem Bekleidungsgeschäft hat, an der Lancierung seines eigenen Ateliers und an einer Kollektion, die er im November bei der Fashion Fair in Lausanne präsentieren wird. "Meine Entwürfe auf dem Laufsteg zu sehen, macht mich stolz", verrät er. "Man weiss, wie viel Arbeit dahinter steckt, und plötzlich sieht man das Ergebnis."
Der junge Mann schätzt es, dass er das Kleidungsstück "von A bis Z selbst kreiert", mit allen technischen Herausforderungen und der Kreativität, die damit verbunden sind. Während er sich noch vor ein paar Jahren manchmal "als Mann in einem Stoffladen sehr unwohl gefühlt" hat, empfindet er dabei nun "Stolz". Das ist auch einer seiner Beweggründe für die Teilnahme an den SwissSkills. "Vielleicht kann ich einem kleinen Jungen, der gerne nähen würde, sich aber nicht traut, Hoffnung geben. Für mich ist es wichtig zu vermitteln, dass das auch etwas für Buben ist."
Informationen
Zum Thema
Die Schweizer Berufsbildung in Zahlen
Knapp 40% der Unternehmen, die zur Ausbildung von Jugendlichen befähigt sind, bieten Lehrstellen an.
500 Millionen Schweizer Franken betrug der Gewinn der Lehrbetriebe, wenn man das Verhältnis zwischen den Berufsbildungskosten und der Produktivität der Lernenden berechnet.
230 verschiedene Ausbildungen gibt es in der Schweiz.
2/3 der Jugendlichen entscheiden sich am Ende ihrer Schullaufbahn für eine Lehre.
62'268 Eidgenössische Fähigkeitszeugnisse (EFZ) wurden 2017 verliehen, 46% davon an Frauen und 54% an Männer.
14'280 junge Menschen machten 2017 eine Lehre als Kaufmann oder Kauffrau. Damit ist dies die am häufigsten gewählte Ausbildung, vor Detailhandelsfachleuten (4983) sowie Assistenten Gesundheit und Soziales (4563).
Quellen: "Berufsbildung in der Schweiz, Fakten und Zahlen 2018" (SBFI, 2018); Statistik der beruflichen Grundbildung (BFS, 2018).
Letzte Änderung 03.10.2018