Als tragende Säule des Schutzes von geistigem Eigentum ist das Patentsystem mehr als eine einfache Absicherung: Es bietet den KMU viele Perspektiven.

Seit einigen Jahren steht die Schweiz bei der Zahl der Patente pro Einwohner unangefochten an der Weltspitze. In diesem Frühjahr verteidigte sie erneut ihren Titel und liess die Niederlande auf Platz zwei hinter sich. Laut dem Europäischen Patentamt reichte sie 2017 insgesamt 7283 Anträge ein, also 884 Anmeldungen pro eine Million Einwohner. Wer steckt hinter diesen Patenten? Natürlich spielen europaweit die grossen Unternehmen die tragende Rolle. Doch mit einem Anteil von 24% sind auch die KMU alles andere als untätig.
Mit einem Patent lassen sich technische Erfindungen schützen, seien es Produkte oder Verfahren. "Viele Schweizer KMU greifen darauf zurück", stellt Alban Fischer, Leiter der Patentabteilung beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE), fest. Diese Option richtet sich in erster Linie an Unternehmen in Technologie-Branchen wie Biotech oder Hightech. Sie wird auch von Firmen aus dem Informatiksektor genutzt, aber in geringerem Masse.
Trends identifizieren
Creaholic, eine "Innovationsfabrik", die Unternehmen sämtlicher Industrien darin unterstützt, neue Produkte und Technologien zu erfinden, hat seit ihrer Gründung 1986 rund 250 Patentfamilien bzw. insgesamt etwa 1000 Patente hervorgebracht. "Wir reichen für unsere Kunden Patente ein und verlangen dafür, dass wir ein Nutzungsrecht ausserhalb des Anwendungsbereichs behalten, also die Möglichkeit, die Technologie in anderen Branchen zu nutzen", erklärt Carole Chapelat, Expertin für geistiges Eigentum bei dem KMU aus Biel. "Wir melden auch unsere eigenen Patente für Inkubationsprojekte innerhalb von Creaholic an, aus denen Start-ups entstehen können."
Für eine Patentanmeldung gibt es kein automatisches Verfahren. Zunächst stellt Creaholic Untersuchungen an, um zu sehen, was es schon gibt. "Vor zwanzig Jahren musste man noch nach Bern fahren, um manuell zu recherchieren", berichtet Marcel Aeschlimann, geschäftsführender Partner bei Creaholic. Heute ist der Zugang zu den Informationen viel leichter, es stehen viele digitale Tools zur Verfügung, zum Beispiel die kostenlose europäische Plattform Espacenet. In dieser Phase der Recherche kann man Trends erkennen und erahnen, in welche Richtung sich eine Technologie entwickeln wird, oder sehen, ob es viel Konkurrenz gibt. "Die Menge an verfügbaren Informationen bewirkt, dass man viel strategischer vorgehen kann."
Auf dieser Grundlage denkt Creaholic dann darüber nach, welche Position auf dem Markt erstrebenswert ist. "Die Patentierung ist eine interessante Option, wenn man weiter gehen und ein fertiges Produkt auf den Markt bringen will", erklärt Carole Chapelat. "Will man dagegen sehr schnell sein, ist es nicht die beste Wahl."
Marcel Aeschlimann ist der Meinung, dass viele KMU einen Fehler begehen, indem sie ein Patent ausschliesslich als Schutzrecht wahrnehmen, das Kosten erzeugt. "Wenn es aktiv gemanagt wird, hat es ein grosses Potenzial. Man kann es nutzen, um Kooperationen zu suchen (die erfordern, dass wir klar definieren, was uns gehört) oder um einem Unternehmen, das in einer anderen Branche oder Region tätig ist, eine Nutzungslizenz der patentierten Technologie zu erteilen."
Geheimhaltung und Veröffentlichungen: Gute Alternativen
Nicolas Durand, CEO der Waadtländer Firma Abionic, die auf die schnelle Diagnostik von Allergien spezialisiert ist, bestätigt: Man muss eine Strategie definieren. "Bei Abionic haben wir nie einfach etwas patentiert, um es zu patentieren, um die Informationen zu verwischen oder die Konkurrenz zu täuschen. Einige setzen auf die Menge an Patentanmeldungen, denn das kann dabei helfen, das Unternehmen aufzuwerten und Investoren zu überzeugen. Wir konzentrieren uns lieber auf die Qualität und beschränken uns auf einige gute Patente."
Die Technologie der nanofluidischen Sensoren von Abionic wurde entwickelt, als die Gründer noch an der EPFL beschäftigt waren. Die ersten Patente gehören also der Hochschule, die folgenden, mit denen die ursprüngliche Technologie verbessert wird, dem Unternehmen. "Zu unserer Strategie gehört auch ein ganzes Paket von Innovationen, die wir nicht patentieren wollten, aber geheim halten", ergänzt Nicolas Durand.
Das Patent ist nicht die einzige Möglichkeit, eine Erfindung zu schützen, merkt Alban Fischer vom IGE an. Eine erste Alternative ist in der Tat die Geheimhaltung, eine gute Option für komplexe Herstellungsprozesse, die sich nur schwer von einem Endprodukt ableiten lassen. "Es besteht aber immer das Risiko, dass ein Mitarbeiter das Geheimnis preisgibt, wenn er zum Beispiel das Unternehmen verlässt, oder dass ein Konkurrent dieselbe Idee hat und die Technologie patentiert." Eine andere Option ist die Veröffentlichung. "Das kann irgendwo sein, im Internet oder in einer allgemeinen Zeitung. Die Tatsache, dass man die Technologie öffentlich gemacht hat, verhindert, dass ein anderes Unternehmen sie patentieren kann."
In einem Punkt sind sich die Experten einig: Man sollte sich lieber beraten lassen. Das IGE bietet den KMU an, dass einer seiner Experten ihnen dabei hilft, ausführliche Informationen zu erhalten und eine Recherche in der Patentliteratur durchzuführen. Den Start-ups an den Hochschulen rät Nicolas Durand, sich an die Technologietransferstelle ihrer Einrichtung zu wenden.
Informationen
Zum Thema
In vier Schritten zum Schweizer Patent
- Die Anmeldung: Die Unternehmen reichen ihre Patentanmeldung und die technischen Unterlagen beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) ein, das die Form prüft. Die Anmeldung wird 18 Monate nach der Einreichung veröffentlicht.
- Die Sachprüfung: Das IGE prüft, ob die Anmeldung den gesetzlichen Anforderungen entspricht, insbesondere ob die Erfindung patentierbar ist.
- Die Erteilung oder Zurückweisung: Wenn die Anforderungen erfüllt sind, erteilt das IGE ein Schweizer Patent. Dieses Patent gilt für die Schweiz und Liechtenstein.
- Die Verwaltung und Registerführung: Das IGE trägt den Status des Patents – ob es gültig oder gelöscht ist – in einem Register ein und publiziert ihn in der Datenbank Swissreg.
Letzte Änderung 27.09.2019