In diesen KMU nimmt die Industrie 4.0 Form an

Die Einbindung neuer Technologien in die Fertigungsprozesse weckt Hoffnungen, aber auch Zweifel. Erfahrungen von drei Firmenchefs, die den Schritt gewagt haben.

Der Arm eines Roboters arbeitet an einem Montagefliessband.

Die Industrie 4.0, auch vierte industrielle Revolution genannt, kennzeichnet den Vormarsch der Digitalisierung in den Unternehmen. Ob im Vorfeld (Digitalisierung der Produktionsverfahren) oder nachgelagert (vernetzte Produkte oder Dienstleistungen mit hohem Mehrwert) – die Digitalisierung der Industrie ist für ein Land wie die Schweiz ein zentraler Faktor. Sie erscheint sogar unvermeidlich, um sich von der Konkurrenz, vor allem der europäischen, abzuheben oder schwächelnde Branchen neu zu beleben. 

Diese Transformationen bieten viele Vorteile wie Zeitersparnis, Produktivitätssteigerung oder auch die Möglichkeit, massgeschneiderte Produkte herzustellen. Es gibt jedoch einige Hürden, die ein KMU daran hindern können, diesen Schritt zu gehen, zum Beispiel die Schwierigkeit, ausreichend Fachkräfte zu finden, oder die hohen Investitionen, die für eine neue Ausstattung erforderlich sind. Drei Pioniere sprechen über die Veränderungen, die sie vorgenommen haben, und geben ihre Ratschläge weiter.

"Mit der Digitalisierung kann man ein differenziertes Angebot entwickeln"

François Pugliese, Geschäftsführer von Elite

François Pugliese

Das waadtländische KMU Elite, das seit 1895 Betten und Matratzen herstellt, erreichte 2012 eine Wende mit der Entwicklung seines "Smart Lease"-Angebots. Die Matratzen, die an die Hotellerie vermietet werden, sind mit Sensoren ausgestattet, mit denen sich die Miete anhand der tatsächlichen Nutzung berechnen lässt. "Nach dem Kursrutsch des Euro 2011 profitierten unsere Konkurrenten vom starken Franken, sodass ihre Verkaufspreise um fast 40% sanken", berichtet François Pugliese. Mittlerweile hat Elite seinen Umsatz in der Hotelbranche verdoppelt. Dank der Erfindung konnte es seine Produkte auch nach Italien, Kroatien und Frankreich exportieren, was vorher nicht in Betracht kam. 

Das KMU mit seinen 75 Beschäftigten arbeitet nun gemeinsam mit der ETH Zürich an einem intelligenten Anti-Schnarch-Bett. Über ein Spracherkennungssystem gesteuert, richtet sich das Bett so aus, dass der Kehlkopf des Schlafenden befreit wird, wenn er schnarcht. 

"Ich möchte alle Unternehmer ermutigen zu erforschen, wie die Technologie ihnen dabei helfen könnte, wettbewerbsfähiger und innovativer zu sein. Wenn man mit den europäischen Ländern im Wettbewerb steht, tut das weh. Man muss ein differenziertes Angebot entwickeln. Die Digitalisierung macht das möglich."

"Man sollte sich bei den Instituten oder Hochschulen Hilfe suchen"

Hugues-Vincent Roy, Geschäftsführer von Aisa Automation Industrielle

Hugues-Vincent Roy

AISA Automation Industrielle fertigt und vermarktet weltweit Maschinen für die Herstellung flexibler Tuben, unter anderem für Zahnpasta. Das KMU mit 220 Beschäftigten hat vor knapp zwölf Jahren mit "4.0" begonnen, mit einem System, das dem Personal seines Werks in Vouvry (VS) ermöglicht, Probleme an den Maschinen aus der Ferne zu lösen, indem eine Verbindung zu ihnen hergestellt wird. 

Das Unternehmen hat zudem die Fertigung von Komponenten per 3D-Druck in seinen Prozess integriert, wodurch es die Produktivität seiner Maschinen erheblich steigern konnte. Seit drei Jahren nutzt es machine learning, damit die Maschinen bestimmte Steuerungen autonom ausführen können, und kürzlich hat es ein System zur Qualitätskontrolle lanciert, das auf künstlicher Intelligenz beruht. 

"Ich kann nicht sagen, dass wir heute mit diesen Innovationen Marktanteile gewinnen, sicher ist aber, dass wir welche verlieren werden, wenn wir keine Innovationen hervorbringen." Ein Tipp von Hugues-Vincent Roy: Man sollte sich Hilfe holen, indem man mit Instituten oder Hochschulen zusammenarbeitet. "Für ein KMU ist es schwierig, alle Kompetenzen intern abzudecken, gerade bei einigen Themen, die sich sehr rasch verändern."

"Angst ist ein schlechter Ratgeber"

Frédéric Riva, Geschäftsführer von WAGO Contact

Frédéric Riva

WAGO Contact stellt seit 40 Jahren in seinem Werk in Domdidier (FR) Anschlussklemmen für Leiterplatten her. Diese werden in die ganze Welt exportiert. Das Unternehmen hat sich seit einigen Jahren der Digitalisierung verschrieben, was sich auf dem Gebiet der Produktion in der Vernetzung der Maschinen niederschlägt. "Wir produzieren damit effizienter, dank digitaler Qualitätskontrollen direkt an den Produktionsanlagen, wodurch wir notwendige Anpassungen in Echtzeit vornehmen können." 

Das Unternehmen mit seinen insgesamt 500 Mitarbeitenden begleitet auch seine Kunden und Partner bei der Digitalisierung, indem es Automatisierungslösungen entwickelt, insbesondere Produkte zur Fernsteuerung für intelligente Stromnetze (Smart Grids). 

"Die Zukunft zu gestalten, heisst die Zukunft zu sichern. Jeder Unternehmer sollte jetzt seine eigene digitale Strategie entwickeln. Angst ist ein schlechter Ratgeber. Wenn Sie den Mut haben, etwas Neues zu machen, wird Ihnen die Digitalisierung die Lösungen von morgen bringen."


Informationen 

Zum Thema

Die vierte industrielle Revolution in Zahlen 

45% der befragten Schweizer Firmen haben bereits einige Aspekte der Industrie 4.0 umgesetzt. 

90% von ihnen schätzen, dass die strategische Bedeutung der vierten industriellen Revolution in den kommenden fünf Jahren zunehmen wird. 

-5,2%: Um diesen Wert sinken die Produktionskosten durchschnittlich, nachdem die Unternehmen "4.0-Massnahmen" ergriffen haben. 

4,9% ihres Umsatzes werden in 4.0-Lösungen investiert. Die Investitionen betreffen hauptsächlich die Mitarbeitenden (40%) sowie die Softwaresysteme und -konzepte (37%). 

65% der befragten Schweizer Firmen sind der Ansicht, dass die hohen Investitionen ein Hindernis darstellen. 47% von ihnen halten den Fachkräftemangel für ein grosses Problem. 

Quelle: Erhebung der Wirtschaftsberatung Ernst&Young bei 103 Unternehmen in der Schweiz. Ergebnisse im Februar 2018 veröffentlicht.

Letzte Änderung 07.11.2018

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