Mehrere Schweizer Start-ups haben ihre Technologien neu ausgerichtet, damit sie im Rahmen der Covid-19-Pandemie eingesetzt werden können. Ein Beispiel ist Travizory mit Sitz in Neuenburg, das eine Anwendung entwickelt hat, die elektronische Reisegenehmigungen ausstellt.
Travizory gründete 2019 eine Plattform, auf der die Reisenden alle Dokumente einscannen können, die für eine Reisegenehmigung der Länder, in die sie reisen möchten, benötigt werden. Das ursprüngliche Ziel war die Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität, doch nun hat das Start-up auch die gesundheitliche Dimension mit aufgenommen, sodass man verschiedene Gesundheitsdokumente hochladen kann, beispielsweise Ergebnisse von PCR-Tests oder eine Impfbescheinigung. Welche Vorteile hat ein solches System und wie sehen die Perspektiven für die Zukunft aus? Ein Interview mit Renaud Irminger, CEO.
Wie funktioniert Ihr System?
Renaud Irminger: Unsere Plattform ist eine elektronische Reisegenehmigung der neuen Generation. Sie ermöglicht es den Regierungen, ein System einzurichten, das sicherstellt, dass Reisende keine Gefahr darstellen, zum Beispiel jetzt in Zeiten von Covid-19. Dank der Plattform können sie überprüfen, dass alle über ein PCR-Test-Ergebnis aus einem zugelassenen Labor verfügen. Alle administrativen Schritte werden so in kurzer Zeit online vor der Abreise erledigt.
Wie lange dauert das Verfahren?
Irminger: Für den Antrag braucht man im Durchschnitt nur 5 Minuten an einem Computer und 3 bis 4 Minuten in der mobilen App. Eilanträge werden binnen zehn Minuten bearbeitet, die anderen in höchstens 6 Stunden. Wird der Antrag des Reisenden genehmigt, erhält er einen sicheren QR-Code, den die Fluggesellschaften und andere scannen können, um zu sehen, ob sie die Person transportieren dürfen.
Wie überprüfen Sie all diese Informationen?
Irminger: Wir nutzen künstliche Intelligenz, Machine learning und Biometrie. Wir haben auch Zugang zu verschiedenen Tools wie den Datenbanken mit verlorenen oder gestohlenen Pässen und Datenbanken zu Personen, die von Organisationen wie dem FBI, der CIA, den Vereinten Nationen oder Interpol gesucht werden.
Was sind die Vorteile Ihrer Anwendung?
Irminger: Für die Regierungen geht es vor allem um Fragen der Sicherheit und um eine Verkürzung der Warteschlangen an den Grenzübergängen. Dank unserer Plattform können die Länder im Vorfeld beispielsweise überprüfen, ob die Reisenden einen PCR-Test gemacht haben oder geimpft sind. Die Nutzer profitieren von einer entspannteren Reise. Wenn sie ihren QR-Code haben, können sie sicher sein, dass kein Land und keine Fluggesellschaft ihnen den Zutritt verwehren werden. Sie sparen auch Zeit an den Grenzen, denn mit der Anwendung, die bei Ankunft vom Zoll und von der Polizei genutzt wird, verkürzt sich die Wartezeit. Zudem reduziert die Speicherung der Daten an einem einzigen Ort das Risiko eines Identitätsdiebstahls.
Mit welchen Massnahmen garantiert Travizory denn den Datenschutz?
Irminger: Wir erfüllen die europäischen Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO). Unser System verschlüsselt die Daten und einige davon werden nach der Verarbeitung anonymisiert. Besonders sensible Informationen wie die Fotos der Reisenden werden schnell wieder gelöscht.
Wie wirkt sich die Covid-19-Pandemie auf Ihr Geschäft aus?
Irminger: Durch den Zusammenbruch des Tourismus wurden wir mit voller Wucht von der Pandemie getroffen. Dennoch war diese Krise auch die Gelegenheit, uns darauf zu fokussieren, inwiefern unser System ein Garant für den Gesundheitsschutz sein kann. Wir haben es zum Beispiel in einem Schifffahrtsunternehmen eingeführt, das Fahrten zwischen Argentinien und Uruguay durchführt. Ausserdem sind wir im Gespräch mit einem Akteur aus der Sportbranche, um ein System einzuführen, das Zuschauern nur dann den Zugang zu den Stadien ermöglicht, wenn sie einen negativen PCR-Test haben oder geimpft sind.
Wie wollen Sie sich künftig weiterentwickeln?
Irminger: Wir haben unser System auf den Seychellen und in Uruguay lanciert und führen nun Gespräche mit rund vierzig Ländern, die es ebenfalls einsetzen wollen, wobei der Schwerpunkt auf dem Schutz vor Covid-19 liegt.
Wie sieht Ihr Geschäftsmodell aus?
Irminger: Wir behalten einen kleinen Teil des von den Reisenden gezahlten Betrags ein und leiten den Grossteil an die Regierung des jeweiligen Landes weiter.
Auf welche Finanzierungsquellen greifen Sie zurück?
Irminger: Wir haben mit Eigenkapital und Privatinvestoren begonnen. Wir wurden auch vom Kanton Neuenburg unterstützt sowie von dem Venture Capital Unternehmen AtlanticLabs aus Berlin. Der nächste Schritt ist eine Series-A-Finanzierungsrunde zum Jahresende im Wert von CHF 100 Millionen. Um das zu schaffen, müssen wir unsere Präsenz in anderen Ländern ausbauen, wofür wir eine Zwischenfinanzierung von rund CHF 2,5 Millionen suchen.