"Gegen Imitationen lässt sich nur mit Patenten schützen"

Um ihre Innovationen voranzubringen und vor der Konkurrenz zu schützen, lassen viele KMU ihre Ideen patentieren. Dies ist jedoch mit gewissen Kosten und Verwaltungsaufwand verbunden.

Die Schweiz ist im Bereich Patentanmeldung führend in Europa. Im Jahr 2019 hat die Schweiz 988 Patente pro Million Einwohner beim Europäischen Patentamt eingereicht – damit übertrifft das Land den EU-Schnitt um mehr als das Achtfache. Insgesamt waren 2019 laut dem Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum in der Schweiz über 130'000 Patente in Kraft, wobei etwa 125'000 europäisch und etwa 7'000 national eingetragen waren. KMU sind ungefähr für ein Viertel der Anmeldungen verantwortlich. Patente sind ein wirksames Mittel, um die Innovationen der Schweiz vor internationaler Konkurrenz zu schützen – gerade in den Sektoren der Spitzentechnologien und der Industrie. Das 1999 gegründete und in Chur ansässige Unternehmen Oblamatik ist dafür ein gutes Beispiel: Es ist auf Sanitärsysteme und Trinkwassermanagement spezialisiert und hat aktuell über 60 Patente angemeldet. Im Interview spricht der CEO Roland Obrist darüber, wie in seinem Unternehmen Innovationen gefördert werden und welche Rolle Patente dabei einnehmen.

Welchen Stellenwert nimmt Innovation im Sanitärbereich ein?

Roland Obrist: In der Tat war die Branche bis vor wenigen Jahren ein vergleichsweise konservativer Markt. Jedoch wächst nun das Bewusstsein einerseits für intelligentes Wassermanagement in Gebäuden, als auch andererseits für die Messung der Trinkwasserqualität in Echtzeit – in Deutschland etwa sterben jedes Jahr mehr Menschen an Legionellen als an Autounfällen. Wir haben sehr früh angefangen, unsere intelligenten Sensoren und Wassermanagementsysteme zu patentieren, wovon wir in den letzten Jahren sehr profitiert haben. So verkaufen wir 90% unserer Produkte im Export, vor allem in den USA, in Australien und in Europa. Durch die Covid-19-Pandemie hat der Markt für kontaktlose Armaturen einen zusätzlichen Schub bekommen, vor allem Hotels, Krankenhäuser und öffentliche Gebäude investieren in diese Systeme. Auch für diese Technologie hatten wir bereits Patente angemeldet.

Wie versuchen Sie, in Ihrem Unternehmen ein Klima zu schaffen, das Innovationen fördert?
Obrist: Wir haben vor zwei Jahren unsere alten Büroräume für ein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum verlassen. Die Idee dabei war, unseren Mitarbeitenden ein Umfeld zu bieten, das sie vielseitig inspiriert: So verfügen wir jetzt über eine Bibliothek, eine Feuerstelle, ein Fitnesszentrum oder ein eigenes Restaurant. Es geht uns darum, dass die Mitarbeitenden zur Kommunikation untereinander animiert werden. Dazu kommt, dass wir Controlling-Prozesse in den Hintergrund gestellt haben, um ihnen mehr Freiraum für eigene Ideen zu ermöglichen. Seit dem Umzug haben wir etwa 30 neue Mitarbeitende – zusätzlich zu den rund 50 bereits anwesenden – einstellen können, wir sind als Arbeitgeber sehr attraktiv geworden. Ein anderer konkreter Effekt: In den ersten Monaten in dem neuen Gebäude konnten wir drei neue Patente anmelden.

Wie wichtig sind Patente, um Ihre Innovationen zu schützen?

Obrist: Vor einigen Jahren war es noch so, dass es reichte, schnell zu sein: Wurde ein neues Produkt auf den Markt gebracht, war es wichtig, schon das nächste in der Schublade zu haben. Dann haben die Imitationen von Produkten, die sich noch in der Entwicklungsphase befanden, sehr stark zugenommen, vor allem von Konkurrenten aus dem asiatischen Raum. Dagegen lässt es sich letztendlich nur mit Patenten schützen. Deshalb ist es für uns Priorität, neue Ideen sehr schnell anzumelden, damit wir Zeit gewinnen, um diese in einen Prototyp und mittelfristig in ein Produkt zu verwandeln.

Die aktuell 60 Patente, die Oblamatik angemeldet hat, bringen natürlich Kosten mit sich: Jedes Jahr kosten uns die Gebühren, die für die Erneuerung fällig werden, einen mittleren sechsstelligen Betrag. Dazu kommt der Verwaltungsaufwand: Zwei externe Experten sowie ein Mitarbeitender sind in unserem Unternehmen allein für den Bereich Patente zuständig. Aber der Aufwand ist notwendig: Vor vier Jahren hatten wir einen Patentstreit in Italien, vor zwei Jahren in Russland. Ohne dieses Dokument hätten wir nichts gegen die Imitationen unternehmen können.

Was würden Sie einem kleineren KMU raten, wenn es ein Patent anmelden möchte?

Obrist: Als erstes bietet sich eine Recherche an, um in internationalen Datenbanken sicherzugehen, dass die Idee, die das Unternehmen hat, nicht schon angemeldet wurde. Anschliessend ist es sinnvoll, eine kurze Marktanalyse vorzunehmen, um die Erfolgschancen der Idee einzuschätzen. Fällt diese positiv aus, so sollte das KMU die Idee zuallererst in der Schweiz anmelden lassen. Die Gebühren dafür belaufen sich auf etwa CHF 10'000 (Verfassen des Dokuments durch einen Patentanwalt und Anmeldegebühren) und es verschafft dem Unternehmen Zeit, um einen Prototyp zu entwickeln, um eine tiefgreifendere Marktanalyse vorzunehmen und um mit Experten aus der eigenen Branche darüber zu sprechen. Es ist sehr wichtig, diesen letzten Schritt nicht vor der Anmeldung des Patents zu unternehmen, da die Idee sonst als "Stand der Technik" angesehen wird und von jedem umgesetzt werden kann. Erst wenn diese Phasen erfolgreich abgeschlossen sind, ist es sinnvoll, das Patent international anzumelden – was jedoch innert einer Frist von 12 Monaten nach der Schweizer Anmeldung erfolgen muss.

Wie schätzen sie insgesamt den Rahmen ein, den die Schweiz für Innovationsschutz bietet?

Obrist: Die Schweiz bietet einen kulturellen und institutionellen Rahmen, der Innovationen begünstigt und diese durch schnelle, moderne Verfahren schützt – das zeigen zahlreiche internationale Vergleiche, in denen die Schweiz jeweils Spitzenplätze belegt. Es wäre allerdings wünschenswert, wenn auf KMU-Ebene das Konkurrenzdenken überwinden werden könnte. Aktuell ist es so, dass jedes Unternehmen für sich Innovationen vorantreibt. Ich denke, dass zum Beispiel im Rahmen von Projekten mit den Hochschulen KMU mehr zusammenarbeiten könnten, denn die eigentliche Konkurrenz befindet sich für uns nicht im Inland, sondern im Ausland.


Informationen

Zur Person/Firma

Roland Obrist, CEO von Oblamatik

Roland Obrist ist im Engadin aufgewachsen. Am Abendtechnikum Chur absolvierte er das Elektronikstudium HTL. Nach einigen Jahren in der Präzisionsmesstechnik gründete er 1999 mit einem Partner die Oblamatik AG, welche sich erfolgreich auf Sensorik, Aktorik und Fluidmanagement innerhalb von Gebäuden spezialisiert hat. Die neuen Produkte und Technologien setzen neue Massstäbe im Bereich Hygiene, Sicherheit, Komfort, Ökologie und Vernetzung. Als Beirat in der Fachhochschule Graubünden und dem "Centre Suisse d’électronique et de microtechnique" arbeitet er aktiv mit, die Forschung und Unternehmen näher zusammen zu führen.

Letzte Änderung 16.06.2021

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