"Es ist sehr wichtig, den anvisierten Markt genau zu kennen"

Der Agritech-Sektor ist im Aufwind und bietet in der ganzen Welt zahlreiche Geschäftsgelegenheiten.

Das 2015 gegründete waadtländische Start-up Gamaya hat Drohnen mit Hyperspektralkameras entwickelt, mit denen man landwirtschaftliche Daten sammeln und analysieren kann, beispielsweise das Wachstumsstadium einer Pflanze, den Feuchtigkeitsgehalt des Bodens oder die Entwicklung von Krankheiten. Das Spin-off der EPFL, das derzeit dreissig Beschäftigte zählt, konzentriert sich hauptsächlich auf Zuckerrohrplantagen in Brasilien, plant aber langfristig, auch in der Ukraine, in Australien, Argentinien und Südostasien präsent zu sein. Welche Perspektiven bietet die Agritech-Branche? Welche Herausforderungen und Chancen bringt dieser Sektor mit sich? Antworten von Yosef Akhtman, Mitgründer von Gamaya.

Die Agrarindustrie ist einer der Wirtschaftszweige mit den meisten Innovationen. Warum?

Yosef Akhtman: Die Landwirtschaft ist der älteste Sektor der Menschheit. Sie wurde im Laufe der Evolution kontinuierlich angepasst, wodurch eine Reihe von Technologien entstanden sind. Ausserdem handelt es sich um eine komplexe Industrie, in der man eine Kombination verschiedener Faktoren aus Umwelt und Biologie, wie Wetter, Boden oder Krankheiten, berücksichtigen muss. Das alles sorgt dafür, dass technologische Innovationen hier auf besonders fruchtbaren Boden fallen.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Agritech und Nachhaltigkeit?

Akhtman: Die Landwirtschaft ist eine sehr umweltschädliche Aktivität mit immensen Auswirkungen auf die Biosphäre und die Biodiversität. Daher hat schon die kleinste technologische Entwicklung, mit der sich die landwirtschaftliche Praxis und unsere Art der Nahrungsmittelproduktion verbessern lassen, einen erheblichen Effekt auf die Umwelt und den Klimawandel.

Bietet die Unterstützung durch Big Data den Landwirten Vorteile?

Akhtman: Sie erhalten dadurch präzise und detaillierte Informationen, welche beispielsweise die Entscheidungen in der Anbauperiode optimieren können. Man darf nicht vergessen, dass die Technologie nichts Neues erfindet. Dennoch ist sie ein echter Vorteil im Entscheidungsprozess, da auf diese Weise spezifische Daten in Echtzeit erhoben und analysiert werden können.

Ist die Schweiz als Markt für den Agritech-Sektor überhaupt gross genug?

Akhtman: Das Land ist auf der ganzen Welt für seine Landwirtschaft und die Qualität seiner Produkte bekannt. Es sind jedoch hauptsächlich kleine Betriebe, die häufig von Familien geführt werden und Subventionen erhalten. Das soll nicht heissen, dass es kein interessanter Markt ist, man muss nur im Kopf behalten, dass er sehr klein ist. Wir haben uns deshalb dafür entschieden, uns auf Zuckerrohr und Brasilien zu konzentrieren.

Welche Geschäftsgelegenheiten gibt es in diesem Sektor für Schweizer Unternehmen?

Akhtman: Die Landwirtschaft von morgen wirft viele Fragen auf, für die es bisher nur wenige Antworten gibt. Da der Agritech-Sektor noch relativ neu ist, ist jetzt ein ausgezeichneter Zeitpunkt, um dort einzusteigen. Darüber hinaus hat die Schweiz international einen sehr guten Ruf, sie steht für Vertrauen und Qualität. Das ist ein echter Wettbewerbsvorteil. Und nicht zuletzt verfügt sie über einen Pool an hochqualifizierten Fachkräften, insbesondere dank der Qualität ihres Hochschulwesens.

Was sind die grössten Herausforderungen?

Akhtman: Die Industrie ist stark fragmentiert und sehr komplex, sodass man sich mit dem Problem, das man angehen will, sehr genau auskennen muss. Ferner handelt es sich um einen Sektor, in dem sich einige Hauptfaktoren, zum Beispiel das Wetter, nicht kontrollieren lassen. Ausserdem hat jedes europäische Land seine eigenen Regelungen. Man muss sich also an jeden lokalen Markt neu anpassen.

Wie ist es derzeit um die Konkurrenz bestellt?

Akhtman: Die USA und Israel sind die beiden Länder, die in dem Bereich am weitesten sind, aber es gibt auf diesem Markt im Moment keinen weltweiten Leader. Das liegt daran, dass diese Industrie zum einen noch sehr neu ist und zum anderen komplex. Denn eine stark fragmentierte Industrie ist gleichbedeutend mit zahlreichen unterschiedlichen Problemfeldern. Die Unternehmen, die sich in diesem Sektor entwickeln, sind also hochspezialisiert, was Platz für viele potenzielle Akteure bietet.

Wie ist Ihr Geschäftsmodell gestaltet?

Akhtman: Wir bieten ein SaaS-Modell (Software as a Service, Anm. d. Red.) als Jahresabonnement an, dessen Tarif von der Grösse der Fläche abhängt. Wir konzentrieren uns ganz klar auf das Sammeln und die Analyse von Daten. Die Drohnen und die Hyperspektralkameras, die wir entwickeln, sind in erster Linie dafür gedacht, weniger für gewerbliche Zwecke.

Auf welche Finanzierungsquellen greifen Sie zurück?

Akhtman: Seit der Gründung von Gamaya im Jahr 2015 haben wir CHF 15 Millionen eingeworben, dank einer Kombination aus Risikokapital, Privatinvestitionen und Fördergeldern.

Was würden Sie jungen Unternehmerinnen und Unternehmern raten, die ins Agritech-Business einsteigen wollen?

Akhtman: Ein spezifisches Thema zu wählen und sich darauf zu konzentrieren. Der Schlüssel zum Erfolg besteht darin, lokal zu beginnen, bevor man global wird. Es ist sehr wichtig, den Markt, auf dem man sich niederlassen will, genau zu kennen und sich über die Probleme und Herausforderungen zu informieren, mit denen die Landwirte vor Ort zu kämpfen haben.


Informationen

Zur Person/Firma

Yosef Akhtman, Mitgründer von Gamaya

Der aus Israel stammende Yosef Akhtman promovierte in Grossbritannien als Elektroingenieur. 2011 ging er als PostDoc an die Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne (EPFL) und richtete seine Forschung auf das Sammeln und die Analyse von Daten aus, mit denen sich ein Entscheidungsprozess im Zusammenhang mit Umweltthemen verbessern lässt. In diesem Rahmen nahm er an dem Projekt "elemo" teil. Teil dieser international angelegten Studie, die 2011 von der EPFL durchgeführt wurde, waren zwei russische U-Boote, die im Genfer See abtauchten, um die verschiedenen Schichten zu untersuchen. Am Ende seiner Zeit als PostDoc im Jahr 2015 beschloss er, die im Rahmen seiner Forschungen entwickelte Technologie zu nutzen, und gründete gemeinsam mit zwei Partnern das Unternehmen Gamaya.

Letzte Änderung 04.03.2020

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