"Mit der Anstellung eines Minderjährigen ist eine erhöhte Fürsorgepflicht verbunden"

KMU, die Arbeitnehmende unter 18 Jahren für einen Sommerjob einstellen wollen, müssen bestimmte Regeln einhalten. Ein Überblick von Marianne Favre Moreillon, Fachanwältin für Arbeitsrecht.

In der Schweiz arbeiten viele Jugendliche im Sommer, um sich eine Reise zu leisten oder für den Rest des Jahres ihre Ausbildung zu finanzieren. Für KMU ist es eine interessante Option, für einige Monate einen Schüler oder Studenten zu beschäftigen. Einige Unternehmen brauchen Personal, um die urlaubsbedingte Abwesenheit der Angestellten auszugleichen, andere benötigen zusätzliche Arbeitskräfte, um die hohe Auslastung in der Sommersaison zu bewältigen, insbesondere im Tourismus. Unternehmen, die einen Jugendlichen für einen Sommerjob einstellen, können ausserdem "auf dem Laufenden bleiben", indem sie von dessen Dynamik, von einem frischen Blick auf die Abläufe im Betrieb oder auch von der Beherrschung der neuen Technologien profitieren. Doch wenn der Arbeitnehmer minderjährig ist, gelten besondere Vorschriften. Marianne Favre Moreillon erklärt, was man dazu wissen muss.

Worauf muss man besonders achten, wenn man einen Minderjährigen für einen Sommerjob einstellt?

Marianne Favre Moreillon: Grundsätzlich darf ein Minderjähriger ab 16 Jahren arbeiten. Aber für einige gefährliche Aufgaben, die im Gesetz definiert sind, zum Beispiel für den Umgang mit bestimmten gesundheitsgefährdenden Stoffen, muss man 18 sein. Ausserdem muss man berücksichtigen, dass ein Jugendlicher unter 18 Jahren weder nachts noch sonntags arbeiten darf und sein Arbeitstag nicht länger als neun Stunden dauern darf. Der gesetzliche Vertreter des Minderjährigen muss zudem seine Einwilligung geben und den Arbeitsvertrag ebenfalls unterschreiben.

Gelten für Praktika andere Vorschriften?

Favre Moreillon: Nein. "Praktika" existieren im Obligationenrecht nicht. Ab dem Zeitpunkt, in dem ein Jugendlicher einer Beschäftigung nachgeht, egal ob der Arbeitgeber das "Praktikum" nennt oder "Sommerjob", gelten genau die gleichen Regeln, nämlich die Vorschriften der Artikel 319 ff. des Obligationenrechts, die das Arbeitsverhältnis betreffen.

Wie findet man die richtigen Bewerber?

Favre Moreillon: Es gibt Online-Plattformen, die sich speziell an Jugendliche richten, auf denen Unternehmen ihre Anzeigen posten können, zum Beispiel adojobs.ch oder oxyjeunes.ch. Die befristeten Verträge können nicht vor Ende der vereinbarten Laufzeit gekündigt werden. Um sicher zu sein, die richtige Person einzustellen, kann der Arbeitgeber dem Jugendlichen daher vorschlagen, in den Monaten davor ein bis drei Tage unbezahlt im Unternehmen zu arbeiten. Diese Lösung ermöglicht den KMU sich abzusichern, dass der Jugendliche über die erforderlichen Kompetenzen verfügt, und dieser kann sich so über die Art der Arbeit im Klaren sein, bevor er sich vertraglich bindet. Wenn der Arbeitsvertrag über mehr als zwei Monate läuft, kann man auch in Betracht ziehen, eine angemessene Probezeit von zum Beispiel zwei oder drei Tagen zu vereinbaren, in der eine Auflösung des Vertrags möglich ist.

Wie sieht es mit den Sozialversicherungen aus?

Favre Moreillon: Der junge Arbeitnehmer ist den Sozialbeiträgen an die AHV, IV, EO und ALV unterstellt. Der Arbeitgeber muss ihn gegen Berufsunfälle versichern, aber auch gegen Nichtberufsunfälle, wenn er mehr als acht Stunden pro Woche arbeitet. Sofern der Jahreslohn mehr als CHF 21'300 beträgt und der Arbeitnehmer älter als 17 Jahre ist, werden auch Beiträge für die Berufliche Vorsorge fällig.

Hat ein Jugendlicher, der für den Sommer eingestellt wird, einen Urlaubsanspruch?

Favre Moreillon: Ja, und zwar ab dem ersten Arbeitstag. Jugendliche unter 20 haben Anspruch auf mindestens fünf Wochen Ferien pro Jahr. Die Ferien werden in Abhängigkeit von der Dauer der temporären Beschäftigung berechnet. Es ist auch möglich, anstelle der Urlaubstage eine Ferienentschädigung auszuzahlen.

Was passiert im Krankheitsfall?

Favre Moreillon: Bei Verträgen von weniger als drei Monaten muss der Arbeitgeber krankheitsbedingte Fehltage nicht vergüten. Dauert der Vertrag aber länger als drei Monate, muss er im Krankheitsfall für mindestens drei Wochen eine Lohnfortzahlung leisten.

Welche anderen Ratschläge können Sie den KMU geben?

Favre Moreillon: Mit der Anstellung eines Minderjährigen ist eine erhöhte Fürsorgepflicht verbunden, insbesondere was die Wahrung der Sittlichkeit angeht. Man muss besonders darauf achten, dass der Minderjährige im Unternehmen keinem schlechten Einfluss ausgesetzt ist, zum Beispiel durch das Internet.

Was Überstunden anbelangt, so sind diese möglich, solange die maximale Arbeitszeit nicht mehr als neun Stunden am Tag beträgt. Sofern es im Vertrag nicht anders ausgeführt ist, müssen die Überstunden mit einem Satz von 125% vergütet werden, was die Arbeitgeber oft vergessen.

Schliesslich will ich noch die KMU warnen, die geneigt sein könnten, das Arbeitsverhältnis zu dem jungen Arbeitnehmer als "Auftrag" zu definieren. Da Sommerjobs automatisch ein Subordinationsverhältnis zwischen dem Jugendlichen und dem Unternehmen beinhalten, ist diese Option nicht anwendbar. 


Informationen

Zur Person/Firma

Marianne Favre Moreillon, Expertin für Arbeitsrecht

Nach ihrem Lizenziat der Rechtswissenschaft an der Universität Lausanne war Marianne Favre Moreillon zunächst in der Finanzbranche und für Anwaltskanzleien tätig. 1998 gründete sie in Lausanne ihre eigene Kanzlei DroitActif, die auf Arbeitsrecht und Unternehmensberatung spezialisiert ist und die sie bis heute leitet. Marianne Favre Moreillon ist Autorin mehrerer Bücher und tritt regelmässig als Referentin auf.

Letzte Änderung 01.05.2019

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