Die grosse Mehrheit der kleinen und mittleren Unternehmen in der Schweiz halten die Digitalisierung ihrer Geschäfte für wichtig, wissen aber nicht, wie sie das Thema angehen sollen. Hier einige Tipps.
Die grösste Studie zur Digitalisierung bzw. digitalen Transformation von Unternehmen in der Schweiz wurde im November 2017 von der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) publiziert. Sie beschäftigte sich mit der Situation der kleinen und mittelgrossen Firmen vor dem Hintergrund, dass 73% von ihnen die digitale Transformation als relevant für ihre Entwicklung ansehen. Dr. Marc K. Peter, der für das Projekt mit dem Namen "KMU-Transformation – als KMU die Digitale Transformation erfolgreich umsetzen" verantwortlich zeichnet, geht auf die wichtigsten Ergebnisse ein und gibt den Unternehmenden praktische Tipps.
Sie haben mehr als 1'800 Schweizer Unternehmen befragt. Warum haben Sie sich für eine derart umfangreiche Studie entschieden?
Marc K. Peter: Die digitale Transformation steht zwar bei den KMU auf der Tagesordnung, aber die meisten Studien liefern nur Kennzahlen und eine allgemeine Bestandsaufnahme. Nur wenige der bisherigen Publikationen stellten dar, was in den Unternehmen wirklich vorgeht, wie Veränderungsprozesse ablaufen, in welchem Zeitraum, mit welchen Einschränkungen usw. Deshalb hat die FHNW beschlossen, eine umfassendere Studie durchzuführen.
Können Sie die digitale Transformation der Firmen einmal genau definieren?
Peter: Unser Leben, die Geräte, die wir nutzen – Telefone, Tablets, Computer –, die Unternehmen, in denen wir arbeiten: alles ist heutzutage vernetzt. Dadurch werden jede Menge Daten erzeugt. Zugleich erwarten die Kunden und Geschäftspartner mit der Ausbreitung des Internets und der Globalisierung des Handels immer mehr Innovationen. Dieses Umfeld bringt die Unternehmen dazu, sich in dreierlei Hinsicht neu aufzustellen: Sie müssen die neuen Bedürfnisse kennen und auf sie eingehen. Sie müssen wissen, wie sie die Daten nutzen und die dafür nötigen Technologien beherrschen. Und schliesslich müssen sie ihre Verfahren optimieren bzw. automatisieren.
Gibt es grosse Unterschiede zwischen den KMU und den grossen Unternehmen?
Peter: Ja. Diese Unterschiede zeigen sich in erster Linie in Bezug auf den Grad der Digitalisierung. Dieser bemisst sich nach verschiedenen Faktoren: Erachtet das Unternehmen die digitale Transformation als relevant? Und wie viele Projekte hat es in diesem Bereich schon umgesetzt? Der Grad der Digitalisierung ist momentan bei den Grossunternehmen (88%) deutlich höher als bei den Mikro-Unternehmen (63%). Diese Tendenz könnte sich allerdings umkehren: Unsere Studie hat gezeigt, dass die KMU mittelfristig mehr Digitalisierungsprojekte geplant haben als die grossen Unternehmen. Der zweite Punkt ist, dass die KMU bisher insgesamt weniger digitale Instrumente einsetzen als die Grossunternehmen, zum Beispiel in Sachen Online-Marketing.
Was sind die grössten Hürden für die Digitalisierung der KMU?
Peter: Manager haben zu wenig Zeit, um digitale Projekte zu starten und zu implementieren. Ausserdem fehlt es häufig sowohl dem Management als auch den Mitarbeitenden am wesentlichen Know-how, um eine solche Transformation zu bewältigen. Und KMU, die der Digitalisierung noch zögerlich gegenüberstehen, sehen darin einige Risiken. Dabei stehen die fehlende Datensicherheit und der Fachkräftemangel ganz oben auf der Liste.
Welche Branchen sind besonders aktiv und welche hinken hinterher?
Peter: Der Handel, das Bildungswesen, der Bau sowie das Gesundheits- und Sozialwesen haben relativ wenige Projekte am Laufen. Die Verwaltung und das Gastgewerbe liegen im Mittelfeld. Die meisten Projekte entfallen auf IT-Unternehmen, Versicherungen und den Finanzsektor. Früher oder später werden aber alle Branchen der Schweizer Wirtschaft ihre digitale Transformation in Angriff nehmen müssen.
In welchen Schritten läuft die digitale Transformation eines KMU ab?
Peter: Wir haben sieben mögliche Handlungsfelder ausfindig gemacht, die sieben Teilschritten entsprechen. Die kleinen und mittleren Unternehmen setzen einen nach dem anderen um, wie bei einem klassischen Strategieprojekt. Der erste ist die Maturitätsanalyse zur Potenzialeinschätzung. Der zweite ist eine externe Analyse mit dem Ziel, mögliche Kunden und Märkte und die benötigten Technologien zu identifizieren. Es folgt eine interne Analyse mit Fokus auf Prozesse, Daten und Leistungen des Unternehmens. Dann muss über die digitale Strategie entschieden werden und über die Methoden, mit denen man den Soll-Zustand erreichen will. Anschliessend wird eine Roadmap erstellt und erste Verbesserungen implementiert, die sofort etwas bewirken (Quick-Wins). Der vorletzte Schritt umfasst die Punkte Digital Leadership und Change Management im Unternehmen. Am Ende folgt dann die Go-to-Market-Phase und das digitale Marketing. Jede dieser sieben Phasen wird in der Studie näher erläutert und Checklisten und Fallstudien bieten weitere Hilfestellungen an.
An wen können sich KMU, die mit der Digitalisierung beginnen wollen, wenden?
Peter: Hilfe finden sie an den Schweizer Hochschulen, die zum Beispiel Maturitätsanalysen als Standortanalysen zur Verfügung stellen und Firmen mittels Weiterbildungsangeboten unterstützen. Eine andere hilfreiche Quelle sind Publikationen wie unsere, die sich mit dem Thema befassen. Die KMU können sich auch an die traditionellen Netzwerke wenden (Branchenverbände, Handelskammern, Wirtschaftsförderung) und natürlich an spezialisierte Beratungsfirmen.