Die Beschäftigung von Arbeitnehmenden 50+ ist für die Schweizer Wirtschaft eine grosse Herausforderung. Die KMU können bei diesem Thema punkten und profitieren von zahlreichen Vorteilen.
Der Anteil der über 50-Jährigen an der Erwerbsbevölkerung nimmt stetig zu. 2017 zählte das Bundesamt für Statistik 767'000 Arbeitnehmende zwischen 55 und 64 Jahren, während es 2010 nur 621'000 waren. Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und der steigenden Nachfrage nach Fachkräften spielen ältere Arbeitnehmende auf dem Arbeitsmarkt eine wichtige Rolle. Sie werden jedoch manchmal als zu teuer oder zu wenig flexibel angesehen und kommen häufig in Schwierigkeiten, wenn sie ihre Arbeit verlieren und eine neue suchen müssen. Daniel G. Neugart, Gründer und Präsident des Verbands Save50Plus, gibt seine Analysen und Tipps weiter.
Sind die über 50-Jährigen gut in den Schweizer Arbeitsmarkt integriert?
Daniel G. Neugart: Insgesamt ja. Wir stellen aber fest, dass ältere Arbeitnehmende oft Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes haben. Ein Drittel der Personen, die uns um Rat fragen, will vorsorgen: Sie haben eine Arbeit, fürchten jedoch, irgendwann vor die Tür gesetzt zu werden. Der psychische Druck ist sehr hoch.
Die Probleme sind vor allem in Grossunternehmen zu beobachten. Wenn sich der Hauptsitz der Firma im Ausland befindet, haben die Personen, welche die grossen strategischen Entscheidungen treffen, manchmal gar keine Verbindung zur Schweiz. Sie steuern die Firma aus der Ferne allein nach rationalen Gesichtspunkten. Häufig geht dies zu Lasten der älteren Arbeitnehmenden, die den Leistungsanforderungen nicht mehr entsprechen oder als zu teuer eingestuft werden. Bei den KMU haben die Arbeitnehmenden einen direkten Kontakt zur Geschäftsführung. Der menschliche Aspekt wird stärker berücksichtigt.
Welche Herausforderungen bringt die aktuelle Situation mit sich?
Neugart: Mit dem demographischen Wandel und der steigenden Zahl der Arbeitnehmenden 50+ befinden wir uns an einem Wendepunkt. Wir sind dabei zu erkennen, dass wir diese Beschäftigten brauchen und die Art überdenken müssen, wie sie am Arbeitsmarkt teilhaben. Es ist unerlässlich, dass wir reagieren und uns anpassen. Andernfalls werden wir sehr bald vor grossen Problemen stehen. Diese Bewusstwerdung betrifft Arbeitnehmende und Arbeitgebende in gleichem Masse. Die Beschäftigten müssen sich flexibel und motiviert zeigen und bereit sein, mit Veränderungen zurechtzukommen. Die Unternehmen wiederum müssen erkennen, dass das Wissen und die Erfahrung dieser Arbeitskräfte sehr wertvoll sind, und sich nicht nur mit den Kosten beschäftigen.
Welche weiteren Vorteile bieten diese Arbeitnehmenden denn ausser der Erfahrung?
Neugart: Disziplin und Ruhe sind entscheidende Werte der Generation der über 50-Jährigen. Ausserdem handelt es sich um Personen, die nicht mehr unbedingt Karriere machen wollen, was für ein Unternehmen interessant sein kann. Sie wollen einfach eine gute Arbeit haben und ihr Wissen teilen. Jemanden einzustellen, der schon ein gewisses Alter erreicht hat, bedeutet auch, dass Wissenstransfer und Stabilität langfristig gewährleistet werden können. Anders als bei einem jungen Menschen ist es wenig wahrscheinlich, dass ein Angestellter über 50 nach einem Jahr wieder kündigt.
Welche Strategie können sich die KMU aneignen?
Neugart: Ab 40 Jahren, wenn sie oft schon 20 Jahre Berufserfahrung haben, sollte man sich über diese Mitarbeitenden gezielt Gedanken machen. Die KMU müssen sich fragen, wie sie die Erfahrung am besten nutzen können. Daher ist es wichtig, im Unternehmen eine Person für dieses Thema zu benennen. Anschliessend sollte man in jedem Einzelfall prüfen, welche Lösungen umgesetzt werden können.
Welche Anpassungen sind konkret möglich?
Neugart: Ein Beschäftigter, der schon viel Zeit in derselben Position verbracht hat, will vielleicht etwas anderes machen, an einer Weiterbildung teilnehmen oder seine Arbeitszeit reduzieren. Viele wagen es aber nicht, diese Anliegen zu formulieren. Daher ist es wichtig, dass der Arbeitgeber von sich aus das Gespräch sucht. Die Verringerung der Arbeitszeit, zum Beispiel um 20%, erlaubt dem Unternehmen, weiterhin von der Erfahrung des Angestellten zu profitieren und dabei die Personalkosten zu senken. Diese Lösung ist auch bei den über 50-Jährigen beliebt, die oftmals etwas mehr Freizeit haben möchten und nicht unbedingt so viel Geld brauchen wie in der Zeit, als sie eine Familie zu versorgen hatten.
Was bedeutet die Zertifizierung von Save50plus?
Neugart: Es handelt sich um ein Zertifikat, das dem Unternehmen eine altersneutrale Politik bescheinigt. Dieser Ansatz wird vom Schweizerischen Gewerbeverband sgv und von Travail.Suisse unterstützt. Um das Zertifikat zu erhalten, muss ein Unternehmen Mitglied in unserem Verband werden, einen Ansprechpartner für das Thema ältere Arbeitnehmende benennen und belegen, dass es über ein spezielles Konzept für diese Beschäftigten verfügt. Die Altersneutralität muss zudem in den Leitsätzen der Firma verankert sein. Wenn das Unternehmen das Zertifikat erhalten hat, darf es auf seiner Website und in seiner gesamten Kommunikation ein spezielles Logo verwenden. Darüber kann es seine Position offiziell nach aussen wie nach innen deutlich machen. Es ist ein wirksames Instrument, um den Beschäftigten den Druck zu nehmen.