Das Unternehmen Leclanché, das Lösungen zur Energiespeicherung entwickelt, versucht seit 2014 mit seinem neuen CEO Anil Srivastava an seine ruhmreiche Vergangenheit anzuknüpfen. Interview
Der aus Indien stammende Anil Srivastava übernahm im Juni 2014 die Leitung von Leclanché. Die Aufgabe des Experten für die Energiebranche bestand darin, das Unternehmen aus Yverdon-les-Bains (VD) mit seinen 150 Mitarbeitenden zur Rentabilität zurückzuführen. Vier Jahre später scheint sich die Firma in eine bessere Zukunft zu bewegen. Anil Srivastava spricht über die Widrigkeiten der Anfänge und über seine Strategie für den Neustart.
Sie sind seit Juni 2014 CEO von Leclanché. Wie kam es dazu?
Anil Srivastava: Im Laufe meines Berufslebens hatte ich das Glück, in vielen verschiedenen Bereichen wie Elektronik, Telekommunikation und Energie tätig zu sein. Ich habe insbesondere als CEO der Tochterfirma für erneuerbare Energien des französischen Energieriesen Areva gearbeitet, dann in der Batterieherstellung bei der amerikanischen Firma Oak Ridge Energy Technologies, das zum Portfolio des australischen Fonds Precept gehört, dem Mehrheitsaktionär von Leclanché. Als die Mitglieder des Vorstands von Leclanché mir vorschlugen, bei ihnen einzusteigen, wollte ich die Welt der Energiespeicherung entdecken.
Wie fühlt man sich, wenn man die Leitung einer mehr als hundert Jahre alten Fabrik übernimmt?
Srivastava: Um ganz ehrlich zu sein: Die anfängliche Begeisterung schlug schnell in Enttäuschung um. Als die Headhunter auf mich zukamen, zeichneten sie ein sehr beschönigtes Bild von Leclanché. Ich war also von der Idee, dort zu arbeiten, sehr angetan. Doch sobald ich die Aufgabe übernommen hatte, wurde mir klar, dass die Realität anders aussah. Ich stand vor einer Firma in einem miesen Zustand, ohne klare Strategie, ohne Investitionen und ohne eine Ausrichtung auf dem Markt.
Hatten Sie überlegt, wieder auszusteigen?
Srivastava: Ich hatte zwei Optionen zur Auswahl: das Unternehmen zu schliessen oder es wiederzubeleben. Die erste Lösung ist einfacher, weil es reicht, Anwälte zu beauftragen und allen Lebewohl zu sagen. Aber ich wollte Leclanché und seinen Beschäftigten eine neue Chance geben. Deshalb habe ich mich mit dem Verwaltungsrat beraten, um eine klare Strategie aufzustellen.
Welche Fehler der früheren Geschäftsführungen haben dazu geführt, dass das Unternehmen am Rande des Konkurses stand?
Srivastava: Leclanché hat lange ausschliesslich auf Lithium-Ionen-Batterien gesetzt. Es hat die Technologie entwickelt, Patente angemeldet und die Produktion nach Deutschland in ein riesiges Werk verlagert. Aber die Vermarktung ist gescheitert, da das Produkt die Erwartungen des Marktes nicht erfüllt hat und zweieinhalb Mal so teuer war wie die Konkurrenzprodukte. Der Hauptfehler war, ein Produkt zu lancieren, ohne den Markt zu sondieren. Leclanché hätte Kunden treffen und ihre Erwartungen erfragen müssen. Lithium-Ionen-Batterien zu verkaufen ist gut, aber an der Energiespeicherung zu arbeiten ist noch besser.
Wie ist es Ihnen gelungen, die Firma wieder in Schwung zu bringen?
Srivastava: Wir haben uns die Erwartungen unserer Kunden angehört und eine Marktanalyse durchgeführt. Der Sektor für Energiespeicherung verzeichnet heute ein starkes Wachstum. Wir haben Produkte entwickelt, die den Erwartungen der Branche entsprechen, und wir haben unsere Kunden getroffen. Ausserdem war es notwendig, die Montage und die Entwicklung in der Schweiz zu bündeln, damit unsere Expertise bestmöglich zum Einsatz kommt.
Wie sieht die aktuelle Strategie konkret aus?
Leclanché konzentriert sich auf zwei Sparten: stationäre Energiespeicherung und Batteriesysteme für Fahrzeuge und Roboter wie zum Beispiel fahrerlose Gabelstapler. Wir konnten grosse Verträge an Land ziehen, beispielsweise die Lieferung von Batteriemodulen für die grösste zu 100% elektrisch betriebene Fähre der Welt, die bald zwischen Kopenhagen und der Ostseeinsel Ærø fahren wird. Ausserdem haben wir ein System zur Energiespeicherung an den Campus der EPFL geliefert, ein weiteres auf die portugiesische Insel Graciosa auf den Azoren und etliche identische Systeme nach Kanada. Wir statten auch den öffentlichen Verkehr mit Energiesystemen aus, zum Beispiel in Brügge oder in Tschechien. All diese Verträge werden regelmässig erneuert, weil wir nicht nur die Systeme, sondern auch die Batterien und Speicher liefern. Und dieses Jahr konnten wir zwei grosse Erfolge verbuchen. Einer ist ein mehrjähriger Rahmenvertrag mit Sun Mobility, einem grossen Systemintegrator für Elektrofahrzeuge in Indien. Das Geschäft umfasst die gemeinsame Entwicklung von austauschbaren Akkus für Elektrobusse, elektrische Nutzfahrzeuge und Rikschas mit Elektro-Antrieb. Das zweite ist ein Abkommen über eine langfristige strategische Partnerschaft mit dem norwegischen Unternehmen Kongsberg Maritime, um Batterielösungen zu liefern, die in fast allen modernen Schiffen zu finden sind.
Was würden Sie dem Geschäftsführer eines KMU raten, das eine schwierige Zeit durchmacht?
Es ist notwendig, eine klare strategische Vision und eine eindeutige Positionierung auf dem Markt zu haben. Man muss sich ständig mit den Mitgliedern des Verwaltungsrates austauschen, um eine Richtung festzulegen. Sobald das Geschäftsmodell definiert ist, muss man daran festhalten. Der Weg zur Rentabilität wird immer von Kritik und Hindernissen gesäumt sein, aber man darf nie aufgeben.
Welche Lehren haben Sie aus Ihren Erfahrungen seit 2014 gezogen, die auch für andere KMU-Chefs nützlich sein können?
Ich habe viele Fehler gemacht. Im letzten Jahr hat ein Verzug bei der Finanzierung den Umsatz geschwächt und bei einigen Projekten kam es zu Verzögerungen. Diese Situation hat mir eine wesentliche Lektion erteilt: Man darf das Finanzmanagement einer Firma nie unterschätzen. So wie das Blut für den menschlichen Körper lebenswichtig ist, ist es für ein Unternehmen das Geld. Ich habe auch den Wert der Arbeit wieder neu erfahren. Anders als bei Areva musste man hier alles neu organisieren, bei null anfangen, wie bei einem Start-up.
Wie geht es Leclanché heute?
Am 28. September haben wir zufriedenstellende Ergebnisse veröffentlicht. Unsere Umsätze steigen, trotz eines Verlustes, der sich ausweitet. Im ersten Halbjahr haben wir unsere Schulden konsolidiert und ein Finanzierungsprogramm erlangt, mit dem wir 2020 einen operativen Gewinn erzielen können. Das bringt uns in eine starke Position, sodass wir von den enormen Gelegenheiten profitieren können, die der Markt bietet.