"Für unsere Schreinerei ist es wichtig, stets innovativ zu bleiben"

Ausgehend von einer einfachen Werkstatt hat der Schreinereibetrieb von Paul Ardüser seine Aktivitäten fortwährend erweitert und die Produktion der berühmten Davoser Schlitten wiederbelebt. 

Ein hundertjähriges Familienunternehmen zu modernisieren kann sich schwierig gestalten. In der dritten Generation an der Spitze des KMU Ardüser Schreinerei in Davos (GR) arbeitet Paul Ardüser hart daran, dass der Betrieb, den sein Grossvater gegründet hat, auf der Höhe der Zeit bleibt. Er erneuert regelmässig seinen Maschinenpark, steigt in neue Geschäftszweige ein und startet sogar Crowdfunding-Kampagnen. So hat sich der Umsatz der Firma innert 25 Jahren vervierfacht. Eine Begegnung. 

Was waren die Meilensteine in der Geschichte Ihrer Firma?

Paul Ardüser: Der erste grosse Schritt war natürlich die Gründung des Unternehmens durch meinen Grossvater 1922. Er arbeitete damals allein und führte Schreiner- und Zimmermannsarbeiten aus. Er hatte eine kleine Werkstatt in Davos, in der wir heute noch arbeiten. 1960 übernahm dann mein Vater die Firma und scharte ein Team von fünf bis acht Mitarbeitern um sich. Damals wurde alles oder fast alles per Hand gefertigt. Ich habe die Firmenleitung offiziell 1991 übernommen, ein Jahr vor dem Tod meines Vaters. 

Wie fühlt man sich, wenn man von einem Tag auf den anderen die Leitung einer Fabrik mit über 70-jähriger Geschichte übernimmt?

Ardüser: Ich hatte mich schon seit 1989 um das Unternehmen gekümmert, als mein Vater krank wurde. Es war schwierig, mit nur 24 Jahren die Verantwortung für ein KMU mit sechs Mitarbeitenden zu übernehmen. Ich wurde ins kalte Wasser geworfen und musste alles organisieren. Aber ich habe es geschafft, damit umzugehen. Diese Erfahrung ist mir für die Leitung der Firma bis heute von Nutzen. 

Wie haben Sie das Geschäft seit 1991 modernisiert?

Ardüser: Wir haben unsere Beschäftigtenzahl in 25 Jahren fast verdreifacht und zählen heute 16 bis 20 Mitarbeitende. Ausserdem haben wir mehrmals neue Maschinen gekauft und die alten ersetzt. Das einzige, das sich nicht verändert hat, ist die kleine Werkstatt meines Grossvaters. 

Wer sind Ihre Kunden?

Ardüser: Wir haben internationale und einheimische Kunden. Das können Menschen sein, die hier ihren Zweitwohnsitz haben oder ein Geschäft oder ihre Hauptwohnung. Aber auch Touristen kaufen unsere Schlitten. Einige haben ein begrenztes Budget, andere ein sehr hohes. 

Können Sie die verschiedenen Geschäftszweige Ihres KMU beschreiben?

Ardüser: Unsere grösste Stärke ist die Vielseitigkeit. Wir fertigen sowohl sehr einfache Stücke wie eine Balkonverkleidung als auch sehr schöne Möbel nach Mass. Wir sind in der Lage, Glas zu bearbeiten, Materialien für den Metallbau, Holzplatten, Massivholz usw. Ausserdem haben wir unser Geschäft um zwei neue Bereiche erweitert, ein Bestattungsangebot und die Herstellung von Schlitten. 

Sie lancierten 2014 eine Crowdfunding-Kampagne, um die Produktion von Schlitten in Davos wiederzubeleben. Warum?

Ardüser: Im Rahmen der Feiern zum Jubiläum "150 Jahre Wintersport in der Schweiz" beauftragte uns das Tourismusamt Davos mit der Fertigung eines überdimensionierten Schlittens zum Ausstellen. Da kam uns die Idee, mitten in Davos wieder traditionelle Davoser Schlitten herzustellen. Wir haben ein Crowdfunding-Projekt lanciert, um die CHF 13'000 zu beschaffen, die für den Bau der Schlitten nötig waren. Diese Summe hatten wir schon nach 14 Tagen erreicht und sogar übertroffen. Am Ende der Kampagne hatten wir knapp CHF 50'000 zusammen. Ein voller Erfolg! Im ersten Jahr wurden mehr als 100 Schlitten bei uns bestellt. Es war nicht leicht, mit der Produktion hinterherzukommen. Aktuell fertigen wir jedes Jahr zwischen 40 und 50 Schlitten. 

Warum ist dieser Schlitten so sehr mit Davos verbunden?

Ardüser: Er ist eng mit unserer Stadt verbunden, weil er hier erfunden und zum ersten Mal benutzt wurde. Seine Geschichte geht bis ins Jahr 1883 zurück, bis zum ersten Schlittenrennen auf der Strecke von Davos nach Klosters, bei dem ausländische Touristen und Einheimische um die Wette fuhren. 1888 reichte dann der Ski-Pionier Tobias Branger das erste Patent für einen Schlitten aus Esche mit zwei Kufen ein, den er "Davoser Sportschlitten" nannte. 

Ist der Davoser Schlitten immer noch ein geschütztes Produkt? Was sind seine technischen Merkmale?

Ardüser: Ein Patent auf den Davoser Schlitten ist nicht mehr möglich. Jeder hat das Recht, einen zu bauen. Normalerweise wird er aus Schweizer Esche gefertigt, mit einer Schnur, drei Sitzholzlatten, zwei Aussenholzlatten, zwei Kufen aus Holz, die mit einem speziellen Metall verkleidet sind, und zwei Bügeln aus Holz und Metall, die beide Teile des Schlittens verbinden. 

Sind Sie die einzige Schreinerei in Davos, die diesen Schlitten produziert?

Ardüser: Ja, wir sind in Davos die einzigen, denn man braucht extrem viel Zeit, um sich das nötige Know-how anzueignen. Wir haben losgelegt, ohne irgendeine technische Anleitung zu haben, nur das traditionelle Modell. Wir mussten viele Tests durchführen und mehrere Prototypen bauen, damit unser Schlitten sicher ist, gut funktioniert und lange hält. 

Wie heben Sie sich von der Konkurrenz auf diesem Nischenmarkt ab?

Ardüser: Anders als ausländische Massenproduktionen werden unsere Schlitten wirklich in Davos gefertigt. Sie haben lebenslange Garantie. Darüber hinaus werden alle Holzverbindungen nach alter Handwerkskunst gesteckt. 

Was würden Sie einem jungen Unternehmer raten, der dem Familienbetrieb neuen Schwung geben will?

Ardüser: Die jungen Unternehmer sollten immer ein Auge darauf haben, was es an Neuerungen gibt und was in den anderen Marktsegmenten passiert. Man muss neue Möglichkeiten innerhalb der eigenen Branche suchen, denn es ist wichtig, seinem Kernberuf treu zu bleiben. In der Schreinerei kann man zum Beispiel nicht von heute auf morgen Fliesen legen und Toiletten installieren. Darüber hinaus sollte man seine Infrastruktur modernisieren. 

Was sind Ihre künftigen Projekte?

Ardüser: Wir haben mehrere Projekte am Laufen, insbesondere steht der Kauf einer Hightech-Maschine an. Für uns ist es wichtig, stets innovativ zu bleiben und offen für Ideen, die von den Mitarbeitern eingebracht werden. Generell liegen uns das Wohl der Angestellten und die Teamarbeit sehr am Herzen.


Informationen 

Zur Person/Firma

Porträt von Paul Ardüser, Geschäftsführer der Ardüser Schreinerei AG

Paul Ardüser hatte nach dem Abschluss seiner Schreinerlehre zunächst einen verantwortungsvollen Posten in einem Produktionsunternehmen im Kanton Thurgau inne. 1989 kehrte er mit 24 Jahren nach Graubünden zurück, um seinen kranken Vater an der Spitze des Familienbetriebs Ardüser Schreinerei in Davos zu ersetzen.

Letzte Änderung 19.12.2018

Zum Seitenanfang

News und nützliche Informationen für Gründer und Unternehmer
https://www.kmu.admin.ch/content/kmu/de/home/aktuell/interviews/2018/fuer-unsere-schreinerei-ist-es-wichtig-stets-innovativ-zu-bleiben.html