Immer mehr Schweizer Unternehmen öffnen ihr Kapital für ihre Mitarbeiter. Dieser Ansatz bringt viele Vorteile mit sich, kann aber auch riskant sein. Erläuterungen.
In der Schweiz gibt es mehr als 140 börsenkotierte Unternehmen, die auch Mitarbeitende zu ihren Aktionären zählen. Das gilt nicht nur für grosse Firmen. Auch KMU setzen auf Mitarbeiterkapitalbeteiligung. Besonders ausgeprägt ist der Trend bei Start-ups. Christophe de Kalbermatten, Experte für Handels- und Gesellschaftsrecht und Partner der Rechtsanwaltskanzlei Python in Sion und Genf, erklärt dieses Phänomen und gibt Tipps für die Umsetzung.
Welche Formen der Mitarbeiterkapitalbeteiligung gibt es?
Christophe de Kalbermatten: Im Grunde sind es zwei verschiedene. Die erste besteht darin, das Gesellschaftskapital unmittelbar zu öffnen, indem Aktien oder Gesellschaftsanteile ausgegeben werden. Die zweite beinhaltet zwei aufeinanderfolgende Schritte: Sie gibt den Mitarbeitenden das Recht, Aktien oder Gesellschaftsanteile für einen bestimmten Preis mit einer festen Fälligkeit zu erwerben (stock-option).
Stellen Sie fest, dass die Beteiligung von Arbeitnehmenden am Kapital zunimmt?
Kalbermatten: Ja, das liegt zurzeit im Trend. Die jungen Firmen nutzen diesen Ansatz eher als die traditionellen. Wer sein Kapital für die Mitarbeiter öffnet, gewährt ihnen damit auch Zugang zu Informationen und Mitspracherecht. Das Vorgehen passt daher besser zu einem modernen und transparenten Firmenmodell mit eher horizontalen Managementstrukturen. Bei gut etablierten familiengeführten KMU lässt sich ein solcher Schritt vor allem im Rahmen einer Übergabe an die nächste Generation oder einer Übernahme durch eine Gruppe von Mitarbeitern beobachten.
Welche Vorteile bietet dieser Ansatz?
Kalbermatten: Die Möglichkeit, selbst Aktionär zu werden, motiviert die Arbeitnehmer. Ihr Engagement wirkt sich positiv auf die Funktionsweise des Unternehmens aus und damit auch auf die Aktien, von denen sie dann wiederum selbst profitieren. Für ein kleines Unternehmen bedeutet das, dass es auf diese Weise einen Wettbewerbsnachteil in Bezug auf die Löhne der Grossunternehmen ausgleichen kann. Ein Start-up wird ja Mühe haben, einem jungen Ingenieur ein ähnlich hohes Gehalt zu zahlen wie eine grosse Firma. Zudem können die Lohnnebenkosten auf diese Weise niedrig gehalten werden, die Liquidität steht für andere Investitionen zur Verfügung und die Mitarbeiterbindung wird gestärkt.
Welche Risiken und Nachteile muss man bedenken?
Kalbermatten: Wenn ein Mitarbeiter Aktionär wird, hat er Einblick in die Finanzlage des Unternehmens und nimmt an der Generalversammlung teil. Das kann Spannungen erzeugen, wenn die Beschäftigten angesichts von Gewinnen neue Gehaltsforderungen stellen. Auch steuerliche Aspekte gilt es zu berücksichtigen: Die Aktien werden für den Arbeitnehmer genauso besteuert wie das Einkommen und der Arbeitgeber muss Sozialabgaben zahlen.
Wie läuft die Einführung einer Mitarbeiterbeteiligung konkret ab?
Kalbermatten: Nach einer ersten Grundsatzdiskussion mit den schon vorhandenen Aktionären muss man ein dafür bestimmtes bedingtes Kapital schaffen. Anschliessend erstellt der Verwaltungsrat einen Plan, der alle Aspekte der Beteiligung regelt: berechtigte Mitarbeiter, Zahl der Aktien, Preis, Modalitäten im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ... Dann erteilt der Verwaltungsrat den Mitarbeitern das Recht, zu den im Plan festgelegten Bedingungen Aktien zu erwerben. Die Schaffung von bedingtem Kapital ist mit einer Satzungsänderung verbunden, für die ein Notar erforderlich ist. Für die Erstellung des Plans gibt es Beispiele im Netz, aber es ist ratsam, sich von einem Rechtsanwalt, Juristen oder Steuerfachmann begleiten zu lassen.
Wie viel Zeit sollte man einplanen?
Kalbermatten: Ein Plan, der gut auf die Situation des Unternehmens abgestimmt ist, braucht Zeit. Oft dauert es mehrere Monate, bis er korrekt aufgestellt ist, sodass am Ende keine nachteilige Situation für die Firma entsteht. Wenn man diesen Schritt geschafft hat, können die Formalitäten innerhalb eines Monats erledigt werden.