"Ein Manager muss wissen, wie er seine Energie lenken kann"

Energetic Leadership ist eine der Säulen moderner Unternehmensführung. Wenn ein Manager seine Energie gut steuert, kann sie ansteckend wirken und die Mitarbeitenden stimulieren. Expertentipps von Jérôme Koechlin. 

Der einflussreiche Geschäftsmann und Referent Frank Maguire wird nicht müde zu betonen, wie wichtig es für eine Führungskraft ist, Energie zu haben. Er fasst diese Idee sogar in der "3 E"-Regel zusammen: energy, energise und execute. Seine eigene Schlagkraft muss der CEO eines Unternehmens seinen Mitarbeitern vermitteln, um sie in Bewegung zu bringen, und zugleich muss er in der Lage sein, im richtigen Moment überlegte und wirkungsvolle Entscheidungen zu treffen. Jérôme Koechlin, Kommunikationsexperte in Genf, ist vom Nutzen des Energetic Leadership in KMU überzeugt. Erläuterungen. 

Wie würden Sie die Aussage von Frank Maguire ergänzen, um Energetic Leadership zu definieren?

Jérôme Koechlin: Der Manager muss nicht nur selbst voller Energie sein, andere "energetisieren" und Entscheidungen treffen, sondern einen kommunikativen Leadership-Stil verfolgen, um seine Handlungsfähigkeit und seine Möglichkeiten der Einflussnahme zu erhöhen. Sein Führungsstil stützt sich also auf drei grundlegende Kommunikationsregeln. Erstens muss der Leader seine Ideen teilen, um leistungsstarke Teams zu animieren. Zweitens kann er dank seiner Überzeugungsfähigkeit die erwarteten Ergebnisse erreichen. Und schliesslich muss er die Kunst der Verführung beherrschen, um die Sympathie seiner Gesprächspartner zu gewinnen. Um Energetic Leadership zu betreiben, muss man diese dauerhaften Ziele der Kommunikation kennen. Mit der konativen (oder appellativen) Funktion der Sprache kann man Einfluss auf andere ausüben. Der Philosoph Jürgen Habermas drückt es so aus: "Kommunikation ist in allem und alles ist in der Kommunikation!" 

Was wären die wichtigsten Eigenschaften eines solchen Managers?

Koechlin: Wie jede Führungsperson muss er zugleich bescheiden sein und entschlossen, seine Projekte zum Erfolg zu führen. Das Handeln eines Geschäftsführers ist langfristig angelegt: Zwei oder drei Jahre auf seinem Posten zu bleiben, reicht selten aus, um sich voll und ganz zu engagieren und zu entfalten. Ein Leader hat eine hohe Strahlkraft, wenn er von seinen Mitarbeitern verstanden wird, die sich einem klaren Unternehmensprojekt anschliessen können, einer Zukunftsversion, auf die sie stolz sind und für die sie sich einsetzen.

Eine Studie der Boston Consulting Group (BCG) hat das Energielevel von Führungskräften untersucht. Die Energie eines Leaders ist ansteckend und überträgt sich auf sein Team. Dadurch entsteht ein Mehrwert, indem die Dynamik der Mitarbeiter angeregt wird. Aber das funktioniert nur, wenn der Leader empathisch ist und sein Energielevel der Situation anpassen kann, sodass es weder zu hoch noch zu niedrig ist. 

Aber es kann doch niemand ständig bei 100% sein?

Koechlin: Hyperaktivität ist absolut nicht das, was man von einer energetischen Führungskraft erwartet. Im Gegenteil: Das kann die Mitarbeiter verängstigen, denn diese suchen zum Beispiel in Krisenmomenten eher einen "Fels in der Brandung", auf den sie sich stützen können.

Da er ständig unter Beobachtung steht, muss ein Leader in der Lage sein, seinen "Punch" an die Situation anzupassen, wenn er die grösstmögliche Wirkung erzielen will. Man erwartet von ihm, dass er sein Energielevel im richtigen Moment anhebt – etwa bei einem Seminar oder einer Pressekonferenz – und es insgesamt wohl dosiert, um effizient zu bleiben.

Ich gebe Ihnen ein einfaches Beispiel. Die Rolling Stones, die auf die 75 zugehen, können nicht durchgängig mit der Power unterwegs sein, die sie auf der Bühne bei einem zweistündigen Konzert an den Tag legen. Aber in diesem Moment geben sie alles und reissen den ganzen Saal mit. Das ist ihr Beruf und ihre Leidenschaft. Um in diesem Alter ein solches Energielevel zu erreichen, muss man extrem viel Kondition haben, trainiert sein und geistig voll präsent. Bei einem Manager ist es ähnlich, denn er muss vielfältigen Ansprüchen und Belastungen gewachsen sein und braucht ein hohes Konzentrationsniveau: Er muss trainieren wie ein Hochleistungssportler. 

Was würden Sie einem Manager raten, der seine Energie bestmöglich nutzen will, ohne am Ende erschöpft zu sein?

Koechlin: Im Laufe meiner Karriere hatte ich das Vergnügen, den ehemaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, beraten zu dürfen. Er hielt sich stets einen halben Tag in seinem Kalender frei, um abzuschalten und aufzutanken. Dank dieser Pause konnte er besonnener nachdenken und anschliessend die richtigen Entscheidungen treffen. Yoga, Meditation und ein gesunder Lebensstil sind weitere Möglichkeiten, sein Energieniveau zu halten und seine berufliche Balance zu finden, indem man gute Beziehungen zu den Mitarbeitern entwickelt. 

Welche zentralen Elemente gilt es in der Praxis umzusetzen?

Koechlin: Man muss aufmerksam sein, den anderen zuhören und sich für ihre Pläne interessieren, um sie zu motivieren. Für eine gute Unternehmensführung muss man sich auch selbst gut kennen: Ein Manager sollte wissen, welcher Führungstyp er ist und wie die anderen Akteure, mit denen er zu tun hat, ihn wahrnehmen. Konstruktives Feedback ist daher insofern ein wesentliches Element, als ein "energetic leader" gibt und nimmt. Er sollte sich also darum bemühen zu verstehen, welche Auswirkungen seine Handlungen haben, und fortwährend erklären, was er tut und warum er diese oder jene Entscheidung trifft. Eine klare Botschaft zu haben, bleibt äusserst wichtig und hilft dabei, die eigene Fähigkeit zur Einflussnahme zu stärken.


Informationen 

Zur Person/Firma

Jérôme Koechlin, Kommunikationsexperte

Der Kommunikations- und Management-Experte Jérôme Koechlin hatte bereits diverse verantwortungsvolle Posten in den Bereichen institutionelle Kommunikation, Politik und Medien inne. Zurzeit ist er Sekretär des Exekutivausschusses und Leiter Kommunikation bei der Bank Reyl. Parallel dazu lehrt er am Medi@LAB der Universität Genf. Er hat an der Universität Genf in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften promoviert, ausserdem an der New York University Kommunikation studiert und viele Artikel über Kommunikation und internationale Angelegenheiten publiziert.

Letzte Änderung 21.11.2018

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