Am Schlaf zu sparen und zu hoffen, bei der Arbeit leistungsfähiger zu sein, ist für einen Geschäftsführer eine Rechnung, die nicht aufgeht. Dennoch gibt es nur wenige CEOs, die gut und ausreichend schlafen.
Arianna Huffington, Gründerin der berühmten News-Website The Huffington Post, ist zu einem echten Guru in Sachen Schlaf im Unternehmen geworden. 2016 gab sie infolge ihres Burnouts ihre Stelle auf und veröffentlichte das Buch "The Sleep Revolution", eine Ode für guten Schlaf. Darin schreibt die griechisch-amerikanische Journalistin über die positiven Auswirkungen des Schlafs und einer guten Lebensqualität auf den beruflichen Erfolg. Allerdings schlafen die KMU-Chefs im Durchschnitt weniger gut als ihre Mitarbeitenden. Schlafmangel kann zu beruflicher Erschöpfung führen und schwerwiegende Folgen für ihre Leistungsfähigkeit haben. Parallel zu einem Forschungsprojekt in Frankreich beschäftigte sich auch die Hochschule für Wirtschaft Freiburg (HSW-FR) mit diesem Thema. Eine Begegnung mit Professor Mathias Rossi, einem der Autoren der Studie.
Warum interessieren Sie sich für den Schlaf der Geschäftsführer von KMU?
Mathias Rossi: Unsere Forschung richtet sich auf den allgemeinen Gesundheitszustand von Selbstständigen, Gründerinnen und Gründern und KMU-Geschäftsführungen. Wir haben uns 2014 im Rahmen der Beobachtungsstelle Observatoire Amarok, welche die Gesundheit von nicht angestellten Erwerbstätigen untersucht, mit dieser Personengruppe beschäftigt, nachdem wir Folgendes festgestellt hatten: Wir wissen wenig über ihre Arbeitsgewohnheiten, anders als über die von Angestellten oder CEOs von Grossunternehmen.
In dieser umfassenden Erhebung ist der Schlaf ein Teilbereich, genau wie die Ernährung oder die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. Sich für den Schlaf zu interessieren, ist insofern wichtig, als viele KMU-Geschäftsführungen ihn vernachlässigen, um mehr arbeiten zu können. Ein solches Verhalten kann schwerwiegende Folgen für die Gesundheit haben.
Wie konnten Sie diese Informationen gewinnen?
Rossi: Um unsere Daten zu sammeln, haben wir etwa einhundert Erwerbstätige über mehrere Monate wiederholt befragt. Die meisten KMU-Geschäftsleiter stufen sich als gesund ein und gehen nur selten zum Arzt, doch die Ergebnisse zeigen deutlich, dass sie häufig unter Druck stehen, unsicher in die Zukunft blicken, vom Arbeitspensum überlastet sind und ihre Entscheidungen allein treffen müssen.
Um diesen intensiven Arbeitsrhythmus durchzuhalten, müssen sie widerstandsfähig sein. Je nach Persönlichkeit und individuellen Fähigkeiten haben alle unterschiedliche Kapazitäten für Arbeit und Regeneration. Diese Ungleichheit gilt auch in Bezug auf den Schlaf: Zwar brauchen einige Geschäftsleiter nur wenig Erholung, doch andere verkraften es schlecht, wenn sie nicht genug schlafen. Um Chef zu sein, braucht man eine gute Portion Ausdauer und nicht alle sind widerstandsfähig genug, um das zu schaffen.
Wie lässt es sich erklären, dass ein Geschäftsführer weniger schläft als ein Angestellter?
Rossi: Richtiger wäre es zu sagen, dass er anders schläft. Denn die Frage stellt sich nicht so sehr hinsichtlich der Dauer, sondern vielmehr in Bezug auf die Qualität des Schlafes. 70% der befragten Firmenchefs behaupten, dass sie gut schlafen, doch die Hälfte von ihnen wacht müde oder unausgeschlafen auf und jeder Zehnte nimmt schlaffördernde Mittel ein.
Untypische Zeitpläne, viel Verantwortung und ein hoher Stresspegel sind einige der Gründe, warum Qualität und Quantität des Schlafes mangelhaft sein können. Direkt vor dem Schlafengehen noch E-Mails zu lesen und einen Teil der Nacht Probleme zu wälzen, ist für das Einschlafen nicht förderlich; ähnlich schlecht ist es, wenn man manchmal morgens sehr früh aufsteht oder abends lange wach bleibt, um ein Projekt zu beenden. Diese Verhaltensweisen bringen die Rhythmen aus dem Takt und wirken sich direkt auf den Schlaf aus.
Was sind die Folgen von Schlafmangel?
Rossi: Unsere Studie wurde parallel zu einem Forschungsprojekt in Frankreich durchgeführt. Interessant ist, dass wir zu ziemlich ähnlichen Ergebnissen gekommen sind. Die Erholungszeit zu verkürzen und sich davon bessere Leistungen bei der Arbeit zu erhoffen, ist eine sehr schlechte Rechnung, durch die man in einen Teufelskreis gerät. Schlafmangel kann eine Reihe von Krankheiten (Herz-Kreislauf-Probleme, Diabetes usw.) nach sich ziehen, ebenso Motivationsverlust, Reizbarkeit und Schläfrigkeit. Diese Zustände sind kontraproduktiv und machen es schwierig, gut zu arbeiten oder richtige Entscheidungen zu treffen.
In einem KMU gibt es – anders als in einem Grossunternehmen, wo ein Chef auf seine Manager zählen und vertreten werden kann – häufig einen direkten Zusammenhang zwischen den Gesundheitsproblemen des Unternehmers und den Gesundheitsproblemen des Unternehmens.
Haben Sie ein paar Tipps für die Geschäftsführungen?
Rossi: Es ist unerlässlich, dass man sich kennt und sich so akzeptiert, wie man ist, sich also von dem Bild des Übermenschen verabschiedet, der immer 200% gibt. Jeder hat das Recht, müde zu sein. Man muss sich nicht schämen, wenn man Erholung braucht. Und wenn man 8 Stunden pro Nacht braucht, um sich gut zu fühlen, dann lasst uns 8 Stunden schlafen!
Da das Arbeitspensum eines Geschäftsleiters selten abnimmt, ist es wichtig, seine Zeit zu strukturieren und Abläufe einzuführen, die weniger auf die eigene Person konzentriert sind. Man muss lernen, Abstand zu gewinnen und zu delegieren. Die junge Unternehmergeneration scheint sich dessen bewusster zu sein und bringt Berufs- und Privatleben besser unter einen Hut.