"In China werden wir als chinesisches Unternehmen angesehen"

Der Walliser Strickmaschinenhersteller Steiger wurde 2010 von einem chinesischen Unternehmen übernommen. Dieser Inhaberwechsel öffnete ihm die Türen, um voll und ganz auf dem asiatischen Markt anzukommen. 

Steiger erblickte in den 1940er Jahren das Licht der Welt. Im Laufe der Zeit wurde die Firma vor allem durch ihre Innovationsfähigkeit sehr erfolgreich. Sie steht unter anderem hinter der Erfindung der ersten vollautomatischen Strickmaschine der Welt. Seit 2010 ist das Unternehmen an den chinesischen Konzern Ningbo Cixing angeschlossen, der sein Hauptaktionär wurde. Der Geschäftsführer von Steiger, Pierre-Yves Bonvin, erzählt, wie dieser Zusammenschluss entstanden ist und warum er für das Unternehmen einen Schritt nach vorn bedeutet. 

Welches Geschäftsmodell hat Steiger?

Pierre-Yves Bonvin: Steiger entwickelt, produziert und verkauft Flachstrickmaschinen. Wir haben zwei Standorte, an denen jeweils rund 50 Personen arbeiten. Der erste befindet sich in der Schweiz, wo wir Maschinen für Luxusmodemarken wie Chanel, Dior oder Hermès fertigen, aber auch für den medizinischen Bereich zur Fertigung von Kniebandagen, Ellbogenschützern und Kompressionsverbänden für schwere Verbrennungen. Am zweiten Standort in China werden Maschinen zur Produktion von Alltagskleidung in Asien hergestellt. 

2010 wurde der chinesische Konzern Ningbo Cixing Ihr Hauptaktionär. Wie kam es dazu?

Bonvin: Seit den 1990er Jahren verlagert sich die Herstellung von Bekleidung von Europa nach Asien. Um dieser Bewegung zu folgen, eröffnete Steiger 2007 ein Werk in China. Doch diese Massnahme konnte nur teilweise Früchte tragen, da wir weiterhin ein europäisches Unternehmen mit einer Niederlassung in China blieben. Auf Messen kam ich persönlich mit Vertretern von Ningbo Cixing in Kontakt. Wir erkannten, dass wir viele Gemeinsamkeiten hatten und die Arbeitsweisen trotz der kulturellen Unterschiede gar nicht so weit voneinander entfernt waren. Als wir einen neuen Aktionär finden mussten, wurde diese Annäherung konkret. 

Welche Vorteile ziehen Sie aus diesem Inhaberwechsel?

Bonvin: In China werden wir jetzt als chinesisches Unternehmen angesehen. Das eröffnet uns den Zugang zu Finanzierungsinstrumenten der Regierung und wir können von den Zulieferern deutlich günstigere Preise erhalten. Ausserdem konnten wir vom Vertriebsnetz von Ningbo Cixing profitieren, das in China bei Textilmaschinen marktführend ist. Und 2012 ging Ningbo Cixing in Shanghai an die Börse, wodurch die Kapitalbasis stark vergrössert wurde. Dieser Cashflow machte es möglich, Projekte zu finanzieren, die bei uns schon lange in der Schublade lagen. Wir haben beispielsweise eine Strickmaschine entwickelt, die in der Lage ist, ein Kleidungsstück in einem Stück zu fertigen und nicht als Einzelteile, die anschliessend zusammengenäht werden müssen. Gerade befinden wir uns im Stadium der Vorserien. Die Markteinführung ist für 2018 geplant. 

Welche Vorteile ergeben sich für Ningbo Cixing?

Bonvin: Das Unternehmen suchte nach einem Weg, um seine Führungsposition zu sichern. Es brauchte gegenüber seinen Konkurrenten einen Wettbewerbsvorteil. Wir liefern ihm einen Vorsprung im Bereich Entwicklung, indem wir die Technologien und Innovationen weitergeben, die wir in der Schweiz für einen anspruchsvollen Markt auf die Beine stellen. 

Welche Folgen hatte diese Veränderung für die Geschäftsführung von Steiger?

Bonvin: Die Beziehung beruht auf einer grossen Distanz. Ich bin weiterhin für die beiden Standorte von Steiger, in der Schweiz und in China, verantwortlich. Alle drei Monate teilt der Verwaltungsrat seine finanziellen und technologischen Ziele mit. Es hat sich ein Vertrauensverhältnis eingestellt und wir haben sehr viel Freiheit. 

Bringt die Zusammenarbeit mit Ihren chinesischen Partnern für Sie Herausforderungen mit sich?

Bonvin: Manchmal kommt es zu einem Stillstand aufgrund von Differenzen in der Art, wie man ein Produkt entwickelt. In der Schweiz planen und untersuchen die Ingenieure verschiedene Varianten. Manchmal vergehen sechs Monate bis zum ersten Bleistiftstrich, aber man weiss, dass die gewählte Option funktionieren wird. In China legt man dagegen gleich los und prüft dann die verschiedenen Optionen, wenn die erste Hürde kommt. Meine Aufgabe besteht darin zu vermitteln, wie die jeweils andere Seite denkt. Die Schweizer müssen ein bisschen chinesischer werden und die Chinesen ein bisschen schweizerischer. 

Wie sehen Sie die Perspektiven von Steiger für die kommenden Jahre?

Bonvin: Die grösste Herausforderung ist es, die Produktion in der Schweiz dauerhaft zu erhalten. Dafür setzen wir auf eine dritte Sparte neben der Mode und den medizinischen Anwendungen: Verbundfasern. Wir wollen Maschinen anbieten, die in der Lage sind, in 3D gestrickte Teile aus Verbundfasern zu fertigen, nach dem Vorbild der neuen Textilmaschinen, die wir bald auf den Markt bringen werden. Damit könnten wir dann neue Märkte erschliessen, zum Beispiel Luftfahrt, Automobil oder Sport.


Informationen 

Zur Person/Firma

Pierre-Yves Bonvin, Geschäftsführer des Walliser Strickmaschinenherstellers Steiger

Pierre-Yves Bonvin stammt aus dem Wallis und studierte an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) Mikrotechnik. Er begann seine Karriere bei Nokia-Maillefer in Ecublens als Inbetriebnahme-Ingenieur. 2006 übernahm er die Leitung von Steiger und stellte das Unternehmen neu auf, um es auf dem asiatischen Markt anzusiedeln. 2010 unterstützte er die Kapitalbeteiligung des chinesischen Industriekonzerns Ningbo Cixing an Steiger.

Letzte Änderung 18.10.2017

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