Das System des Bonitätsratings durch die Banken betrifft auch KMU. Wer über seine Werte informiert ist, kann bei Krediten bessere Konditionen erhalten.
Die Banken geben sich nicht mehr damit zufrieden, bei der Kreditvergabe einfach zwischen guten und schlechten Risiken zu unterscheiden. Um die Bonität der Unternehmen, an die sie Geld verleihen, einzustufen, haben sie ein Ratingsystem eingeführt, das eine Vielzahl von Kriterien einbezieht. Im Rahmen eines Forschungsprojekts mit dem Titel "Studie zur Finanzierung der KMU in der Schweiz 2016" befasste sich Andreas Dietrich, Wirtschaftsprofessor an der Universität Luzern mit dem Thema in Verbindung mit der Situation der kleinen und mittleren Unternehmen. Er teilt uns die wichtigsten Ergebnisse mit.
Wie funktioniert das Ratingsystem der Banken?
Andreas Dietrich: Alle Banken geben den Unternehmen, die bei ihnen eine Kreditanfrage stellen, eine Note. Das gilt auch für KMU. Dieser Wert soll angeben, wie hoch das Risiko ist, dass die Firma das Darlehen, das ihr gewährt wurde, nicht zurückzahlen kann. Er beruht auf Auskünften aus der Vergangenheit des Unternehmens und auf Finanzdaten aus dem Jahresabschluss: Liquidität, Eigenkapital usw. Aber auch nichtfinanzielle Faktoren wie die Geschäftsführung oder die Konjunkturaussichten können zu den Kriterien zählen. Jede Bank hat ihr eigenes System. Die Note kann zum Beispiel mit einem Buchstaben oder mit einer Zahl zwischen eins und zehn ausgedrückt werden.
Welchen Einfluss hat dieses System auf die KMU?
Dietrich: Die Banken stützen sich auf dieses System, um den Zinssatz für den Kredit festzulegen. Ein Unternehmen, das eine schlechte Bewertung erhält, muss mehr Zinsen zahlen. Wenn die Note sehr schlecht ist, kann es sein, dass der Kreditantrag abgelehnt wird. Das Rating durch die Banken ist daher sehr wichtig für die KMU.
In der Studie über die Finanzierung der KMU, die wir im Juni 2017 publiziert haben, stellten wir jedoch fest, dass die meisten von ihnen ihren Wert nicht kennen. Dabei genügt es, einfach bei der Bank nachzufragen. Von den 560 Firmen, die an unserer Umfrage teilnahmen und eine Finanzierung von einer Bank erhalten haben, waren nur 30% über ihre Bewertung informiert. Bei den Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten ist die Situation etwas besser: Von ihnen weiss etwa die Hälfte, wie sie eingestuft wurden. Bei den sehr kleinen Unternehmen fällt dieser Wert dagegen auf einen Viertel.
Wie erklären Sie sich diese Situation?
Dietrich: Viele KMU haben nur wenig Zeit für die Verwaltung ihrer Finanzen. Häufig kümmern sich die Geschäftsführer neben einer Vielzahl anderer Tätigkeiten darum, und sie kennen sich mit dem Thema nicht unbedingt gut aus oder haben sich diesbezüglich weitergebildet.
Inwiefern kann es für ein KMU nützlich sein, seine Bewertung zu kennen?
Dietrich: Die Kriterien und die Art der Zusammenstellung sind von Bank zu Bank unterschiedlich. Es kann also sehr gut sein, dass Bank A für ein Unternehmen zu einem besseren Rating gelangt als Bank B. Daher ist es sehr sinnvoll, verschiedene Kreditinstitute anzufragen und zu vergleichen. Ausserdem ist es gut, wenn man versteht, welche Aspekte zu dem jeweiligen Ergebnis geführt haben. Dann kann man bestimmte Teile der Bilanz anpassen und die Bewertung seiner Firma auf diese Weise verbessern.
Was raten Sie den KMU?
Dietrich: Wir haben festgestellt, dass sich die KMU bei Kreditanfragen häufig auf die Bank beschränken, mit der sie auch sonst zusammenarbeiten. Ich rate ihnen, bei drei oder vier verschiedenen Kreditinstituten anzufragen und die Angebote zu vergleichen. Wenn es bei den Kreditanfragen um hohe Summen geht, kann es hilfreich sein, sich von einem Experten beraten zu lassen, um die Bilanz besser zu strukturieren.
Welche weiteren Schlüsse konnten Sie aus Ihrer Studie ziehen?
Dietrich: Wir hatten erwartet, dass KMU, die auf den Exportmärkten aktiv sind, insgesamt schlechtere Werte erhalten würden. Wir haben aber keine direkte Verbindung zwischen dem Faktor Export und dem Bankrating gefunden. Dafür haben wir festgestellt, dass die Entwicklung der Umsätze einen grossen Einfluss hat. Bei der Untersuchung, wie sich die Bewertungen entwickelt haben, konnten wir darüber hinaus sehen, dass sich die Lage für das Gastgewerbe deutlich verschlechtert hat.