Um von den Kompetenzen der Generation Y voll und ganz profitieren zu können, müssen die Firmenleitungen ihre Management-Methoden anpassen. Der Coach Ernst Wyrsch erklärt, worum es geht.
Die Generation Y – diejenigen, die zwischen Anfang der 80er und Mitte der 90er Jahre geboren wurden – macht einen immer grösseren Anteil an den Beschäftigten aus. Diese Arbeitnehmenden, die im Zeitalter von Computer und Internet aufgewachsen sind, haben ganz andere Erwartungen und Herangehensweisen als ihre Vorgänger. Für das Management ist das eine grosse Herausforderung. Coach Ernst Wyrsch (GR) teilt uns seine Tipps für KMU-Chefs mit.
Inwiefern unterscheidet sich die Generation Y von den vorherigen Generationen?
Ernst Wyrsch: Die Generation Y ist sehr gut ausgebildet, vernetzt, kosmopolitisch und mehrsprachig. Durch das Internet sind sie in einer Umgebung herangewachsen, in der mit einem Klick Unmengen an Informationen verfügbar waren. Um es mit einem bekannten Bild auszudrücken: Die Welt wurde zu einem Dorf. Anders als die Babyboomer, die ihr Glück im Materialismus fanden, ist die Generation Y hinsichtlich der Arbeit auf der Suche nach einem Sinn. Sie hat hohe Erwartungen, die nicht immer an die Realität angepasst sind. Diese Mitarbeiter sind sehr leistungsfähig, aber auch sehr ungeduldig. Sie denken immer an den nächsten Schritt und wechseln unverzüglich den Arbeitsplatz, wenn es ihnen nicht mehr gefällt. Für diese Generation sind die bisherigen Management-Methoden nicht mehr angemessen.
Wie können sich die Firmenleitungen an diese Mitarbeitenden anpassen?
Wyrsch: Sie müssen ihre Management-Methoden komplett überdenken. Wenn die Unternehmen verhindern wollen, dass die Mitarbeiter der Generation Y sie nach zwei Jahren wieder verlassen, müssen sie sie motivieren, indem sie ihnen abwechslungsreiche, interessante und anregende Aufgaben geben. Angestellte dieser Altersgruppe wollen Herausforderungen. Die traditionelle Hierarchie mit einem Vorgesetzten, der Anweisungen gibt, und Arbeitnehmern, die sie umsetzen, funktioniert mit ihnen nicht. Der Chef muss für seine Angestellten da sein und nicht umgekehrt. Er darf ihnen nicht den Weg versperren, sondern sollte eher eine Art Coach sein. Der grösste Fehler, den ein Chef machen kann, besteht darin, den Beschäftigten der Generation Y nicht genug Raum für eigene Entscheidungen zu lassen.
Welche Haltung sollten Firmenleitungen denn diesbezüglich einnehmen?
Wyrsch: Zunächst einmal müssen sie lernen, diese neue Generation zu verstehen. Man muss eine Kommunikationsweise entwickeln, die der Mitarbeiter kennt und mit der er sich wohl fühlt, sozusagen eine gemeinsame Frequenz zwischen Sender und Empfänger finden. Ein weiterer entscheidender Punkt: Ein Manager muss auch delegieren können und sich bewusst sein, dass seine Angestellten vieles besser können als er. Wichtig ist, dass man in der Lage ist loszulassen.
Welche Tipps würden Sie der Chefin oder dem Chef eines KMU noch geben?
Wyrsch: Man muss die Mitarbeiter wieder ins Zentrum des Unternehmens stellen. Seit langem herrscht die Ansicht, dass der Kunde König ist. Das ist nicht falsch, aber auch nicht ganz richtig. Die Beschäftigten sind genauso wichtig wie die Kunden. Sie können nicht mehr nur als ausführende Kräfte angesehen werden.
Ausserdem sollten Chefs eine "JA-Philosophie" entwickeln. Man muss damit aufhören, eine Idee mit der Begründung abzulehnen, man habe das noch nie so gemacht. Veränderungen und sogar Schwierigkeiten muss man bejahen und dann die eventuell daraus entstehenden Probleme lösen.
Die meisten Unternehmen haben Mitarbeitende aller Altersgruppen. Wie lassen sich verschiedene Generationen gleichzeitig leiten?
Wyrsch: Es ist durchaus möglich, dass Babyboomer und die Generation Y in einem Team harmonisch Seite an Seite arbeiten. Jeder sollte bleiben, wie er ist, aber man muss die Unterschiede ansprechen und erklären. Mit Hilfe von Gesprächen kann man auf beiden Seiten Verständnis erzeugen und dafür sorgen, dass alles gut läuft.
Was riskieren Unternehmen, die solche Überlegungen nicht anstellen und ihre Management-Methoden nicht anpassen?
Wyrsch: Heute können Arbeitnehmer auf Websites wie Kununu.com ihr Unternehmen und ihr Arbeitsumfeld öffentlich bewerten. So können schlechte Manager an den Pranger gestellt werden. Das soll bewirken, dass sich Mentalitäten wandeln und Chefs besser werden. Die Digitalisierung bringt viele Unsicherheiten mit sich. Niemand weiss, was in fünf Jahren passieren wird. Vor diesem Hintergrund werden nur die leistungsstärksten Unternehmen überleben. Um zu den besten zu gehören, braucht man auf jeden Fall Angestellte, die in der Lage sind, dank ihrer Kreativität neue Ideen einzubringen. Diese Kreativität kann sich aber nur entfalten, wenn sich die Mitarbeiter wohl fühlen und Spass bei der Arbeit haben. Bei der Schaffung eines positiven Arbeitsumfelds ist die Qualität des Managements entscheidend und wird den Erfolg eines Unternehmens bestimmen. Das ist übrigens auch das entscheidende Kriterium, auf das ich achte, wenn ich Aktien kaufe: Ich muss vom CEO der Firma hundertprozentig überzeugt sein.