Als wichtiger Wirtschaftspartner der Schweiz im Mittleren Osten bietet Israel den Schweizer Firmen attraktive Absatzmärkte. Wir beleuchten die Vor- und Nachteile einer Präsenz auf diesem Markt.
Die Schweiz rangiert in der Liste der Partner, welche die meisten Waren, Dienstleistungen und Finanzmittel nach Israel ausführen, nach der Europäischen Union, den USA und China auf Platz vier. 2015 betrug das Gesamtvolumen dieser Exporte USD 3,6 Milliarden. Der Handel zwischen den beiden Staaten wurde 1993 durch ein Freihandelsabkommen zwischen den Ländern des Nahen Ostens und der Europäischen Freihandelsassoziation erleichtert. Welche Geschäftsgelegenheiten hat der israelische Markt den Schweizer Unternehmen zu bieten? Armin Zucker, Präsident der Handelskammer Schweiz-Israel in Zürich, geht im Gespräch auf die Besonderheiten dieses Marktes ein.
Mit seinen 2000 Start-ups und einer Kapitalbeschaffung in Höhe von USD 4,8 Milliarden ist das israelische Innovationssystem weltweit für seine Effizienz bekannt. Welche Eigenschaften zeichnen es aus?
Armin Zucker: Das israelische Ökosystem verfügt über ausgezeichnete Arbeitskräfte. Und das gilt gleichermassen für deren Fähigkeiten, Ausbildung und Berufserfahrung. Diese hohe Qualität des Humankapitals ist zum Teil auf die Ausbildung zurückzuführen, die alle jungen Israelis während ihres Militärdienstes erhalten. Das Innovationssystem ist von einer Mentalität geprägt, die man auf Englisch "beating the system" nennt. Sie besteht darin, dass man sein Ziel erreichen und bedeutende Veränderung erwirken will, indem man alle nötigen Mittel einsetzt, selbst wenn dafür bestimmte Regeln umgangen oder angepasst werden müssen. Weitere wichtige Merkmale sind Kreativität, Leidenschaft für Innovation, eine gewisse ethische Flexibilität und Selbstvertrauen. Viel zu verdanken hat das israelische Ökosystem auch der Zuwanderung aus den ehemaligen Sowjetrepubliken sowie einem hohen Anteil von Wissenschaftlern und einem wenig attraktiven öffentlichen Sektor. Von den vielen Risikokapitalgebern und der Bedeutung des Verteidigungssektors ganz zu schweigen.
Warum ist der israelische Markt für Schweizer Unternehmen interessant?
Zucker: Die Wirtschaft boomt. Die Israelis landen im Vergleich der Länder Asiens und des Mittleren Ostens auf Platz 6, was das Vermögen angeht. Damit sind sie so reich wie der Durchschnittseuropäer, wie aus einem kürzlich veröffentlichten Bericht von Credit Suisse hervorgeht. Und die Mittelschicht wächst. Darüber hinaus wurden massive Investitionen in die Infrastruktur angekündigt. Die Schweizer Firmen haben dank des guten Rufes ihrer Produkte und ihres Images als zuverlässige Partner in diesen Zeiten des Wachstums sehr gute Chancen.
In welchen Branchen tun sich die Schweizer Unternehmen in Israel besonders hervor?
Zucker: Gemäss der Statistik über Schweizer Exportgüter in Israel sind die fünf grössten Gruppen der Reihe nach Chemikalien, Edelmetalle und Edelsteine, Maschinen und elektronische Ausrüstungen, Instrumente, Uhren und Schmuck sowie land- und forstwirtschaftliche Produkte. Zugleich werden auch die Schweizer Banken und Finanzberatungen zunehmend in Israel aktiv.
Muss man ein Büro vor Ort eröffnen, wenn man in den israelischen Markt eindringen will?
Zucker: Nein. Israel ist ein kleines Land, in dem sich die einflussreichen und die innovativ tätigen Personen alle untereinander kennen. Das soziale Netz ist dort sehr eng geknüpft. Wichtiger als ein Büro vor Ort sind Kontakte zu Einheimischen und Vermittler, die einem Türen öffnen können.
Auf welche Schwierigkeiten kann ein KMU stossen, das in Israel Fuss fassen will?
Zucker: Israel ist in vielen Branchen ein reifer Markt und die Schweizer Unternehmen sind einem intensiven lokalen und internationalen Wettbewerb ausgesetzt. Darüber hinaus kann es in einigen Branchen strenge Regulierungen geben. Wenn ein Unternehmen mit Regierungsorganisationen zu tun hat, kann es mitunter recht mühsam und bürokratisch zugehen. Ausserdem erscheinen den Schweizern das wirtschaftliche Umfeld und der Stil in der Geschäftswelt vielleicht zu wenig offiziell. Informelle und persönliche Beziehungen spielen dort eine grössere Rolle als hier.
Was sind die wichtigsten Vorteile einer Präsenz auf dem israelischen Markt?
Israel ist ein internationales Zentrum für Hightech-Design sowie Forschung und Entwicklung (F+E). Im Bereich Spitzentechnologien gibt es Unmengen an interessanten Geschäftsgelegenheiten zwischen der Schweiz und Israel, zum Beispiel bei Information und Kommunikation (einschliesslich Cybersicherheit), Sicherheitstechnik und -diensten, in der Verteidigung sowie im Bereich Medtech und Biotech. Weitere attraktive Absatzmärkte für Schweizer Unternehmen sind Stromerzeugung, Bildung oder auch Strassenbau und Infrastruktur.
Was würden Sie einem Schweizer Unternehmer raten, der seine Produkte in Israel auf den Markt bringen will?
Im Hinblick auf die Eröffnung eines Büros oder einer Niederlassung eines KMU vor Ort sind wir skeptisch. Stattdessen empfehlen wir die Unterstützung und Vertretung durch einheimische Akteure, die den Zugang zum israelischen Markt erleichtern. Die israelische Regierung fördert Joint Ventures und Lizenzierungen (Verkauf der Nutzungsrechte an bestimmtem Know-how).