Wie lassen sich stressbedingte Ausfälle in der Belegschaft reduzieren?

Überlastung und emotionale Erschöpfung sind die Ursache für steigende Krankheitsausfälle in der Schweiz. Einige Unternehmen ergreifen Massnahmen, indem sie unter anderem die Empfehlungen von Gesundheitsförderung Schweiz befolgen, um das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden zu verbessern.

Mehrere Beschäftigte unterhalten sich in einem Meetingraum.

Knapp ein Viertel der Unternehmen sind mit einem deutlichen Anstieg der Arbeitsausfälle aufgrund von Stress oder Überlastung konfrontiert, wie aus einer von der Axa-Versicherung publizierten Umfrage hervorgeht. Das Phänomen führt zu einer erhöhten Arbeitsbelastung für die übrigen Beschäftigten, zu Kosten für die Rekrutierung von Ersatzkräften, Produktivitätseinbussen und einer Verringerung der Servicequalität.

Seit rund zehn Jahren werden die Best Practices im Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) insbesondere durch Fallstudien und Fortbildungen vermittelt. Im Rahmen eines Auftrags des Bundes begleitet Gesundheitsförderung Schweiz Führungskräfte und Personalverantwortliche bei der Umsetzung von Massnahmen zur Gewährleistung einer gesunden Arbeitsumgebung. Seit 2009 vergibt die Stiftung darüber hinaus das Label "Friendly Work Space", mit dem die Qualität der Arbeitsbedingungen und die gute Gesundheit der Mitarbeitenden zertifiziert werden.

Komplexes und systematisches Monitoring

Gérard Bottazzoli, Projektleiter Betrieb und Entwicklung BGM bei Gesundheitsförderung Schweiz, berichtet: "Aktuell tragen nur etwa hundert Schweizer Unternehmen das Label 'Friendly Work Space’. Knapp drei Viertel der Schweizer Firmen haben sich jedoch dazu verpflichtet, den Stress ihrer Beschäftigten zu verringern." Wie lässt es sich dann erklären, dass die Arbeitsausfälle in der Schweiz zunehmen?

"Manchmal gibt es schwer zu lösende Interessenkonflikte zwischen dem Erfordernis der Wirtschaftlichkeit und dem Wunsch, den Beschäftigten einen guten Rahmen zu bieten", erklärt Urs Jörg, Dozent für Psychologie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und Autor des Buches "Handbuch Angewandte Psychologie für Führungskräfte". "Unternehmen sind manchmal gezwungen, ihre Geschäftsstrategie sehr schnell zu ändern, was zu einer unsicheren oder gar beängstigenden Arbeitsatmosphäre führen kann. Ausserdem sind Manager häufig nicht für den Umgang mit psychischen Problemen und Konflikten geschult."

Die Stiftung "Fondation Domus" mit Sitz in Ardon (VS) und La Tzoumaz (VS), die auf psychosoziale Rehabilitation spezialisiert ist, hat seit 2019 die Massnahmen von Gesundheitsförderung Schweiz im Bereich Analyse und Monitoring eingeführt. "Die ersten Auswertungen haben gezeigt, dass unsere Massnahmen zur Gesundheitsförderung nicht systematisch umgesetzt werden", erklärt Personalleiterin Stéphanie Emery Haenni.

Eigenständigkeit der Beschäftigten und Begleitung durch die Leitung

Angesichts dieser Feststellung hat die Stiftung beschlossen, eigens für das BGM ein Komitee einzurichten und dann gezielt Projekte für bestimmte Aspekte der Arbeit zu erarbeiten, um deren Umsetzung aus der Nähe zu verfolgen.

Die Einrichtung mit 130 Beschäftigten hat ihre Arbeitsstruktur neu organisiert und sich für ein partizipatives Management entschieden. In diesem System "wird jeder Mitarbeiter zum Unternehmer für seinen eigenen Aufgabenbereich", betont Stéphanie Emery Haenni. Obwohl diese Umstrukturierung dazu geführt hat, dass fast ein Fünftel der Beschäftigten gekündigt hat, war die mittelfristige Wirkung positiv. "Sporadische Fehlzeiten wurden deutlich reduziert, weil das System insbesondere eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben ermöglicht. 2023 dürfte unsere Fluktuation bei 5,85% liegen, was in unserem Bereich sehr wenig ist."

Aus Sicht des Psychologen Urs Jörg, der auch Führungsseminare für Managerinnen und Manager gibt, ist es wichtig, dass die Beschäftigten daran mitwirken, dass die Massnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen gut umgesetzt werden. "Die Manager haben einen gewissen Handlungsspielraum, sind letztlich aber von den Beschäftigten abhängig, wenn diese Massnahmen zum Erfolg führen sollen."

An Belastungen und Ressourcen arbeiten

Das von Gesundheitsförderung Schweiz entwickelte Analyse-Tool "Job-Stress-Index" bietet eine Auflistung von Belastungen (Zeitdruck, Unklarheiten, arbeitsorganisatorische Probleme usw.) und Ressourcen (Handlungsspielraum, Wertschätzung usw.), die den jeweiligen analysierten Arbeitsplatz charakterisieren. "Die Belastungen werden immer Teil der Arbeit sein, dürfen aber gegenüber den Ressourcen nicht überhand nehmen", fasst Gérard Bottazzoli zusammen.

Die von Gesundheitsförderung Schweiz durchgeführten Analysen des Stresslevels am Arbeitsplatz werden in Form von drei Bereichen wiedergegeben: vorteilhaft, sensibel und kritisch. Der Experte stellt fest, dass sich die Situation verschlechtern kann, wenn die Manager nicht reagieren. "Wenn sich die Mitarbeitenden in einer als ‘sensibel’ eingestuften Lage befinden und nichts unternommen wird, kippen sie in der Regel nach einiger Zeit in den kritischen Bereich. Die gegenteilige Tendenz ist zu beobachten, sobald konkrete und koordinierte Handlungen vorgenommen werden."


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Letzte Änderung 03.01.2024

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