Wie Rentner und Unternehmen voneinander profitieren

Fachliche Kompetenz, Flexibilität und Engagement: Auf Arbeitnehmende im Rentenalter zu setzen, kann sich auszahlen.

Ein über 60-jähriger Mann bei einem Arbeitstreffen.

Heute sind knapp 20% der 65- bis 74-Jährigen weiterhin auf dem Arbeitsmarkt aktiv, während es vor dreissig Jahren 13% waren, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) mitteilt. Dieser Anstieg dürfte sich in den kommenden Jahren fortsetzen, da nun die Babyboomer das Rentenalter erreichen und der demografische Wandel voranschreitet. Was motiviert diese älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? Vor allem die sozialen Kontakte und das Gefühl, nützlich zu sein. Welche Vorteile haben Unternehmen, wenn sie auf diese Fachkräfte setzen? Hier gibt es einige Antworten.

Wertvolle Ressourcen

Sie sind in einem Alter, in dem sie in den Ruhestand gehen könnten, doch immer mehr Seniorinnen und Senioren wollen nicht aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden. Hinter dieser Entscheidung stehen verschiedene Beweggründe, die von der Lebenssituation und dem beruflichen Werdegang des Einzelnen abhängen. Eine Tendenz zeichnet sich jedoch ab: "Anders als in anderen europäischen Ländern sind für diejenigen, die in der Schweiz noch weiterarbeiten, wenn sie das Rentenalter erreicht haben, finanzielle Gründe in der Regel nicht das Entscheidende. Sie suchen in erster Linie eine soziale Anbindung", weiss François Höpflinger, Titularprofessor für Soziologie an der Universität Zürich. "Sie sind zwar im Rentenalter, aber die meisten von ihnen sind körperlich und geistig noch topfit. Warum sollten sie also aufs Abstellgleis geschoben werden?", fragt Peter Burri Follath, Leiter Kommunikation bei Pro Senectute Schweiz in Zürich.

Infolge des demografischen Wandels wird der Anteil der über 65-Jährigen in der Schweiz dem BFS zufolge von 18,9% im Jahr 2020 auf 25,6% im Jahr 2050 steigen. Eine ausgezeichnete Nachricht für KMU, für die diese Zunahme an Fachkräften viele Vorteile mit sich bringt, zum Beispiel Flexibilität: "Nur wenige ältere Mitarbeitende arbeiten in Vollzeit", erklärt Peter Burri Follath. "Ein Unternehmen kann ihnen daher beispielsweise Aufgaben als Berater übertragen oder zeitlich befristete Projekte anbieten." Hinzu kommt, dass sich das Netzwerk, das Angestellte im Laufe ihres Berufslebens aufgebaut haben, als äusserst wertvoll erweisen kann, zum Beispiel im Bank- und Finanzwesen. "Einige Unternehmen machen diese Beschäftigten, die mobiler und verfügbarer sind, zu Botschaftern, die sie auf Reisen rund um den Globus schicken, damit sie die Beziehungen pflegen", fügt François Höpflinger hinzu.

Kontakte zwischen den Generationen pflegen

Ihre Flexibilität, ihr Netzwerk und ihr hohes Engagement sind Argumente, die aus Sicht eines KMU dafür sprechen, seine Mitarbeitenden über das Rentenalter hinaus zu beschäftigen. Laut François Höpflinger sollte vor allem der drohende Verlust von fachlichem Know-how die Unternehmen angesichts der alternden Bevölkerung zu dieser Entscheidung veranlassen. "Wenn wir keinen Weg finden, die Erfahrung dieser älteren Beschäftigten zu nutzen und zur Geltung zu bringen, werden wir Ressourcen verlieren, deren Wert man gar nicht hoch genug einschätzen kann."

Zudem sind ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch kostbar für die Weiterbildung der neuen Generation, an die sie ihr Know-how vermitteln können. Und umgekehrt. "Je nach Bedarf und Branche können auch junge Mitarbeitende diese Funktion der Wissensvermittlung übernehmen, indem sie die Kompetenzen der Älteren auf einigen Gebieten auf den neusten Stand bringen, beispielsweise im Hinblick auf die Digitalisierung", betont Peter Burri Follath. Diese Durchmischung der Generationen ist aus Sicht des Unternehmens Swiss Life ein echtes Plus. Mit seinem "Modell 58+" hat es ein Programm entwickelt, mit dem die Beschäftigten ihren Renteneintritt hinausschieben können (s. Infokasten). "Wir als Arbeitgeber haben festgestellt, dass in Teams mit Personen aus verschiedenen Altersgruppen eher unterschiedliche Sichtweisen und innovative Lösungen aufkommen", sagt Bettina Kurth, Leiterin Human Resources. So ist die Vielfalt der Generationen ein Schlüssel zum Erfolg.


Informationen

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Ein Projekt aus der Versicherungsbranche

Das Unternehmen Swiss Life hat 2018 im Rahmen seiner Initiative "Berufsleben aktiv gestalten", die flexible Arbeits- und Entwicklungsmodelle stärken will, das "Modell 58+" lanciert.

Der Lebensversicherer Swiss Life will seinen Beschäftigten über 58 Jahren anbieten, ihren Renteneintritt flexibel zu gestalten, indem gestaffelte Übergangsphasen eingeführt werden, die eine Weiterbeschäftigung bis zum Alter von 70 Jahren ermöglichen.

Wer an diesem Programm teilnimmt, kann unter anderem den Beschäftigungsgrad reduzieren, eine Expertenfunktion für ein bestimmtes Projekt übernehmen oder auf gewisse Leitungsfunktionen verzichten. "Einige unserer Angestellten arbeiten seit mehr als zehn Jahren bei Swiss Life und verfügen in ihrem Tätigkeitsbereich über ein hochspezialisiertes Expertenwissen", erklärt HR-Leiterin Bettina Kurth. "Für den Erfolg ist es entscheidend, den Verlust dieses Know-hows möglichst gering zu halten und die Erfahrung der älteren Mitarbeitenden wertzuschätzen." In Zusammenarbeit mit ausgewählten Organisationen hat Swiss Life auch ein Programm mit dem Namen "Stage 50+" auf die Beine gestellt, das darauf abzielt, Stellensuchenden über 50 Jahren bei der Arbeitsmarktintegration zu helfen und ihre Beschäftigungsfähigkeit durch Praktika bei Swiss Life zu verbessern.

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Letzte Änderung 07.10.2020

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